1457 - Ediths Leichenwelt
sich auch dabei. Um nicht zu frieren, hatten sie Strickjacken angezogen und Schals um die Hälse gebunden.
Suko schaute um die Mauer.
»Und?«, fragte ich.
Er winkte ab. »Das ist doch eine unserer leichtesten Übungen. Du kommst doch auch mir, oder?«
»Klar.«
»Okay, ich mache den Anfang.«
Auch wenn man uns sah, es musste sein. Zudem war auch Lilly nach draußen getreten, als wollte sie unserem Tun eine normale Note geben.
Suko hatte es schnell geschafft. Ich lugte um die Ecke und sah, dass er vor der Fensterscheibe der schmalen Tür stehen geblieben war.
»Alles klar?«
Er hob die Schultern. »Alles normal.«
»Hast du denn schon was gesehen?«
»Nein, dazu muss ich nahe an die Scheibe heran.«
»Okay, ich komme.«
Ich trat mit dem linken Fuß auf die Brüstung, stützte mich ab und drehte mich dann um das Mauerende herum, sodass ich auf den Balkon der Edith Jacum springen konnte und feststellte, dass die Fläche hier leer war. Es gab keinen Tisch und auch keine Stühle.
Nicht mal ein einsamer Blumentopf stand dort.
Suko stand bereits vor der Scheibe. Es war gut, dass die Sonne keine Strahlen dagegen schickte, so konnten wir einen Blick in das Innere der Wohnung werfen, denn wir hatten das Glück, dass die Gardine nicht ganz zugezogen war und so eine Lücke freiließ.
»Da bin ich mal gespannt«, murmelte Suko.
Das brauchte er nicht zu sein, denn es traf alles zu, was uns Lilly Sauter erklärt hatte. Alte, recht dunkle Möbel standen in dem Raum, doch beim zweiten Blick fiel uns schon etwas auf, denn an einer Wand stand ein Gegenstand, der nicht in das Gesamtbild der Einrichtung passte. Er war hell, und wir dachten zuerst an ein Sideboard, was Suko auch aussprach.
»Nein, das ist es nicht.«
»Bist du sicher?«
Ich nickte gegen die Scheibe. »Wenn mich nicht alles täuscht, ist das eine Kühltruhe.«
»Oh.« Er tippte mich an. »Denkst du das Gleiche wie ich? Ich meine in Verbindung mit dem Leichengeruch?«
»So weit will ich nicht gehen.«
Von der Seite her hörten wir Lilly Sauters Stimme. »Könnt ihr was erkennen?«
Ich drehte mich um und schaute in ihr Gesicht, das sie um die Ecke geneigt hatte.
»Hat Ihre Nachbarin eine Kühltruhe im Wohnzimmer stehen? Wir sehen dort ein weißes Gebilde, das darauf hindeuten könnte.«
»Das weiß ich nicht genau. Könnte aber hinkommen, denn wo sollte solch ein Ding sonst seinen Platz gefunden haben. Die Küche ist zu klein. Da passt mit ein bisschen Glück gerade mal eine Waschmaschine hinein.«
»Das ist jedenfalls ungewöhnlich.«
»Stimmt.«
»Wir müssen rein«, sagte Suko, »daran gibt es nichts zu rütteln. Das gefällt mir alles nicht.«
Die Balkontür sah nicht sehr stabil aus, aber einbrechen durften wir nicht.
Suko drückte gegen den Rahmen. Er tat es einmal, er wiederholte es, und er merkte, dass sich die Tür leicht bewegte.
»Schau dir das an, John.«
»Und?«
Mein Freund grinste. »Hier hat man schnell, aber nicht eben einbruchsicher gebaut. Jetzt gib mal Acht.« Er verstärkte den Druck, aber diesmal mit beiden Händen.
Und dann passierte es. Die alte Tür mit dem nicht eben stabilen Holzrahmen war offen. Sie schwang nach innen und wurde von der Gardine ein wenig gestoppt.
»Na, das war’s doch«, sagte er und streckte den Arm aus. »Bitte, der Herr, ich komme nach.«
»Wie Sie wünschen.«. Ich schob mich in die fremde Wohnung hinein und dachte daran, was uns Lilly Sauter über den Geruch erzählt hatte. Deshalb zog ich die Nase hoch, als ich den zweiten Schritt ging und erst dann stehen blieb.
Wonach roch es hier?
Normal war es nicht, das stand fest. Wenn man es positiv sah, konnte man von einer abgestandenen Luft sprechen, aber nicht von einer, die mit Leichengestank durchweht war.
Suko war mir gefolgt und schnüffelte ebenfalls. »Denkst du bei dem Geruch an Leichen?«
»Nein!«
»Ich auch nicht.«
»Lilly hat ja davon gesprochen, dass die Frau selbst, so ungewöhnlich gerochen hat.«
»Stimmt auch wieder.«
Das Wohnzimmer gab nichts Verdächtiges her. Alte Möbel aus Nussbaum, eine kleine Couch, ein Sessel dazu, die Glotze im Schrank, eine Tisch mit einer Steinplatte, das alles war nichts, was uns misstrauisch gemacht hätte.
Bis auf die weiße Truhe!
Nebeneinander gingen wir auf sie zu.
Sie war durch den dicken Deckel verschlossen, aber man hatte sie nicht abgeschlossen. Ein kurzes Anheben, und wir würden sie öffnen können. Suko versuchte es bereits. Dass die Truhe klemmte, irritierte uns kaum. Suko
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