1460 - Lockruf des Trolls
fanden. Dabei konnte uns Sir James auch nicht helfen.
Es gab noch eine Person, der wir einen Besuch abstatten mussten.
Peter Login, der Fotograf. Er und Al hatten sich gekannt. Beide waren den Trollen auf der Spur gewesen. Ich hoffte nur, dass sie Logan nicht auch schon erwischt hatten.
Ich rammte die Seitentür wieder zu, blieb vor dem Wohnmobil stehen und wollte die Cavallo auf den Fotografen ansprechen. Sie bemerkte, dass ich etwas sagen wollte, und reagierte ganz anders, als ich erwartet hatte.
Sie legte einen Finger gegen die Lippen.
»Und?« flüsterte ich.
Das Gewehr rutschte von ihrer Schulter. Sie fing es lässig ab und behielt es schussbereit in einer Hand. Der Finger verschwand von ihrem Mund. Mit leiser Stimme sagte sie: »Die Trolle sind hier, John…«
»Was?«
»Ja, ich spüre sie.«
Meine Kehle wurde trocken. Es fiel mit schwer, jetzt noch ein Wort zu sagen. Meine Augen verengten sich, als ich die unmittelbare Umgebung absuchte.
Da hatte sich nichts verändert, doch mir fiel erst jetzt richtig auf, wie hoch das Gras hier wuchs. Für ein zwergenhaftes Wesen war es leicht, sich zwischen den Halmen zu verstecken oder auch in den Büschen am Waldrand.
Justine Cavallo stand ungefähr zwei Körperlängen vor mir. Sie machte einen sehr gespannten Eindruck. Das Gewehr hatte sie nicht losgelassen. Sie hielt es in der rechten Hand. Die Mündung wies nach vorn, aber zugleich auch ins Leere.
»Hast du einen von ihnen gesehen?« wollte ich wissen.
»Nein, das nicht. Aber ich spüre sie.« Die Finger ihrer ausgestreckten linken Hand bewegten sich. »Ich weiß, dass sie sich in der Nähe aufhalten.«
»Okay. Und weiter?«
»Wir werden sie kommen lassen. Vielleicht reagieren sie wie Menschen, die daran denken, Zeugen zu beseitigen.«
Ich wollte mich zur Seite wenden, um methodisch vorzugehen, als mich Justines leiser Pfiff zurückhielt. Gleichzeitig hob sie das Gewehr an. Mit einer Hand hielt sie es nach vorn, und plötzlich drückte sie ab. Sie hatte es auf Schnellfeuer eingestellt und jagte die Geschosse auf ein bestimmtes Ziel zu.
Ich sah, wie die Kugeln in der Boden hieben, aber nicht nur dort trafen sie.
Jemand, der sich dort versteckt gehalten hatte, sprang in die Höhe.
Es war ein Troll, einer mit übergroßem Schädel, der in diesem Moment von einer Kugel erwischt wurde.
Das Geräusch des Einschlags hörten wir nicht, aber der gar nicht so putzige Kerl warf die Arme in die Luft, schien dort für einen Moment zu verharren und fiel schließlich nach hinten. Dabei schlugen die Grashalme über ihm zusammen wie grüne Wellen.
Die Blutsaugerin lachte mich an. »Saubere Action – oder?«
»So ähnlich«, erwiderte ich spröde.
»Geh hin und schau ihn dir an. Ich bleibe hier stehen und decke dir den Rücken.«
»Gut.«
Mir war schon seltsam zumute, als ich durch das Gras stiefelte. Ich war sehr gespannt und beobachtete auch die Umgebung so gut wie möglich. Einen zweiten Angriff erlebte ich nicht. Aber ich ging davon aus, dass ich aus einigen Augen beobachtet wurde, die in irgendwelchen Verstecken verborgen waren.
Es blieb beim Verdacht. Eine Bestätigung erhielt ich nicht, und so konnte ich mich um dem toten Troll kümmern.
Er lag vor mir wie eine Puppe mit verdrehten Gliedern. Sogar sein Kopf lag schief. Das Maul war verzerrt und stand offen. Ich sah die beiden Eckzähne, die tatsächlich Ähnlichkeit mit denen aufwiesen, die man von Vampiren her kannte.
Eine Kugel hatte einen Teil der oberen Kopfhälfte zerrissen. Eine grüne Masse war hervorgequollen und an der Oberfläche bereits leicht eingetrocknet. Der Troll war nicht nur von einer Kugel getroffen worden. Die beiden Einschusslöcher in seinem Körper waren nicht zu übersehen. Auch hier war der grüne Schleim aus den Wunden gequollen, und mir kam augenblicklich wieder der Begriff Aibon in den Sinn.
Das grüne Paradies der Druiden mit den beiden so verschiedenen Seiten. Dort war ich bereits mit Trollen konfrontiert worden und hatte deren Brutalität erlebt. Und jetzt waren sie hier, um ihre schaurigen Taten zu vollbringen.
Nein, sie waren eigentlich schon immer hier gewesen, wenn ich von den Kinderleichen ausging, die das Moor freigegeben hatte.
Hier war nur etwas fortgeführt worden, das es schon immer gegeben hatte.
Ich drehte den Kopf, als ich Justine hörte. Sie schritt wie eine Wächterin durch das Gelände und schüttelte dabei den Kopf.
»Niemand mehr zu sehen oder zu spüren«, erklärte sie.
»Waren es denn
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