1460 - Lockruf des Trolls
einige Bilder nebeneinander gestellt. Sie alle zeigten freundlichere Motive, denn auf ihnen war jeweils die Sonne zu sehen, die mit ihren Strahlen einen Wald und eine Feldlandschaft in warme Farben tauchte.
Sommer. Viele Blumen im Vordergrund, die den Blick des Betrachters auf sich lenkten.
»Nun, wie gefällt Ihnen das Bild?«
Judith runzelte die Stirn. »Es ist wunderschön«, gab sie zu. »Hell und freundlich.« Sie zeigte ein knappes Lächeln.
»Es freut mich, dass es Ihnen gefällt.«
»Ja…« Judith ging einen Schritt zur Seite.
Peter Login beobachtete sie weiterhin, weil er ihr in einer gewissen Hinsicht nicht traute und den Eindruck hatte, dass ihr Verhalten nicht natürlich und unbefangen war.
»Sie können sich mit der Entscheidung Zeit lassen, Mrs. Hill. Bilder kauft man nicht wie Lebensmittel.«
»Ja, da haben Sie Recht.«
»Da ich mittlerweile Ihren Geschmack zu kennen glaube«, sprach er weiter, »denke ich, dass ich noch zwei andere Bilder habe, die für Sie von Interesse sein könnten. Sie zeigen ebenfalls Landschaften, die sehr heiter sind.«
»Danke, ich werde sie gern betrachten.«
»Moment.« Er drehte die Bilder herum, sodass Judith Hill sie anschauen konnte.
Auch hier flutete die Sonne über die Leinwand. Diesmal gab sie einigen Häusern auf einem Hügel am Strand einen goldenen Schein und verfing sich mit ihren Strahlen auch flirrend auf dem Wasser, dessen Oberfläche von leichten Wellen gekräuselt wurde.
»Nun…«
Judith schaute hin, hob die Schultern, atmete durch die Nase aus und sagte mit leiser Stimme: »Auch sehr schön.«
»Danke.«
»Die Entscheidung fällt mir wirklich schwer.«
»Das kann ich nachvollziehen. Soll ich Sie mal für einige Minuten allein lassen, damit Sie in Ruhe überlegen können? Oder wollen Sie Ihren Mann anrufen, um ihn um Rat zu fragen?«
»Ich lebe allein mit meinem Sohn.«
»Verstehe.«
Judith überlegte weiter. Aber sie gestand sich ein, dass sie mit den Gedanken längst nicht mehr so richtig bei der Sache war. Sie wanderten immer wieder ab zu den Geschichten, die über Trolle erzählt wurden, und das tat ihr nicht gut.
»Wie viel sollen sie denn kosten?« fragte sie murmelnd.
»Jedes Bild kann ich für fünfhundert Pfund abgeben«, sagte Peter Login.
»Oh.« Judith Hill schrak leicht zusammen. »Das ist keine kleine Summe, bei allem Respekt.«
»Ich weiß. Aber jeder hat seinen Preis. In einer Galerie würden Sie mindestens ein Drittel mehr bezahlen.«
»Das glaube ich Ihnen gern.«
»Ich bin ja nicht aus der Welt. Wenn Sie beide Bilder nehmen, könnte ich Ihnen einen Sonderpreis machen.«
Ein Lächeln huschte über Judith Hills Lippen. »Das wäre vielleicht zu überlegen.«
»Überlegen Sie in Ruhe.«
Sie drehte sich von dem Gemälde weg. »Es könnte sein, dass dieses Überlegen länger dauert. Kann man mit Ihnen auch über eine gewisse Reservierungszeit reden?«
»Selbstverständlich.«
»Wie lange?«
»Es fragt sich, wie lange Sie für Ihre Entscheidung brauchen.«
»Höchstens bis zum Ende der Woche.«
»Das lässt sich machen.«
»Dann werde ich es mir noch überlegen. Wenn ich beide zusammen kaufe, müsste ich wie viel zahlen?«
»Neunhundert Pfund.«
»Gut, dann notiere ich das schon mal in meinem Kopf. Jetzt will ich Sie aber nicht länger aufhalten und…«
Ein von unten kommender dumpfer Laut ließ beide zusammenschrecken. Für zwei, drei Sekunden passierte nichts. Beide schauten sich nur an.
»Was war das?« fragte Judith.
»Keine Ahnung.«
»Ist noch jemand im Haus?«
»Nein, nicht dass ich wüsste.«
Schweigen, das an den Nerven beider zerrte. Judith Hill spürte es kalt über ihren Körper rieseln. Sie krampfte die Hände zusammen und ballte sie zu Fäusten.
Dann brach es aus ihr hervor. »O Gott, mein Kind!«
Eine Sekunde später war sie bereits auf dem Weg zur Treppe…
***
»Trolle«, sagte Justine Cavallo. »Trolle sind die eigentlichen Herrscher dieser Gegend und nicht die Menschen.«
»Was macht dich so sicher?«
»Ich spüre es. Sie haben den hier wohnenden Menschen alles genommen. Sie konnten die Herrschaft übernehmen. Ich wette, dass wir Spuren finden, wenn wir nach Esgair fahren.«
»Es wird schwer sein, fürchte ich, denn die Leute hier in der Gegend reden nicht über solche Dinge. Sie sind Fremden gegenüber sowieso nicht aufgeschlossen, davon müssen wir ausgehen. Es kann sein, dass wir gegen eine Wand laufen.«
»Bei Peter Login hoffentlich nicht.«
»Wir werden sehen.«
Wir
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