1463 - Die Frau aus dem Fegefeuer
aus dem Sinn, aber so etwas wie ein Feuer war nicht zu sehen. Auch keine magischen Flammen, die brannten und loderten, ohne Hitze abzustrahlen.
Ihre Blicke glitten in diese Welt hinein, aber nur in die Weite und Leere.
»Wer könnte uns jetzt noch weiterhelfen?« flüsterte Erskine.
»Wir selbst.«
»Soll ich lachen, Bill? Hast du eine Idee?«
»Leider nicht. Aber ich glaube nicht daran, dass wir ganz allein sind.«
»Ich sehe keinen.«
»Das stimmt schon. Doch ich denke dabei an eine bestimmte Gestalt, der wir dies hier zu verdanken haben.«
»Du meinst das Skelett?«
»Wen sonst?«
Erskine sagte erst mal nichts, obwohl ihm anzusehen war, dass sich in seinem Kopf die Gedanken drehten.
»Wir können es ja nicht herbeirufen, Bill«, meinte er nach einer Weile. »Oder willst du dich hinstellen und nach ihm schreien? Willst du das?«
»Nein.«
»Dann sind wir die Verlierer.«
So leicht gab ein Bill Conolly nicht auf. Dafür hatte er schon zu oft in aussichtslos erscheinenden Situationen gesteckt. Solange er sich noch normal bewegen konnte, sah er immer eine Chance. So war es auch hier, denn er kam sich nicht wie ein Gefangener vor.
»Wie war das noch mit dieser Stadt?« fragte Bill.
»Nun ja, ich habe sie plötzlich gesehen. Oder wir haben es.«
»Grundlos?«
»Wie meinst du das?«
»Ich denke, dass es dafür einen Grund gegeben haben muss und dass der mit dir zu tun hatte. Weil du an deinen Partner gedacht hast, ist plötzlich diese Stadt entstanden. Oder ein bestimmter Ausschnitt davon.«
»Kein Widerspruch.«
»Das kann der Weg sein!« erklärte Bill. »Ich bin mir zwar nicht hundertprozentig sicher, aber einen Versuch ist es wert.«
Erskine dachte nach. Er tat es intensiv. Es war ihm anzusehen, denn in seinem Gesicht bewegte sich die Haut und warf Falten.
»Verstehst du?« bohrte Bill nach.
»Ja«, sagte Erskine, »ich verstehe. Du meinst also, dass wir durch intensives Nachdenken oder dadurch, indem wir uns etwas vorstellen, eine gewisse Szene herbeizaubern können.«
»So ähnlich, und ich glaube, dass wir beide unsere Gedanken gemeinsam auf etwas Bestimmtes konzentrieren sollten.«
»Du meinst das Skelett?«
»Ja.«
»Dann holen wir uns den Mörder in die Nähe. Oder das Grauen – wie auch immer.«
»So oder so«, sagte Bill.
Erskine gab ihm keine Antwort. Bill Conolly erkannte, dass es Probleme geben würde. Sein Begleiter hatte zu viel Angst und zu wenig Vertrauen. Für ihn war nur wichtig, von hier weg zu kommen, ohne ein großes Risiko eingehen zu müssen.
»Nein – nein, ich kann nicht.«
»Gut, dann bitte möchte ich von dir einen anderen Vorschlag hören. Vielleicht ist der besser.«
»Im Prinzip gebe ich dir ja Recht. Ich möchte auch dabei bleiben, aber das Ziel unserer Gedanken sollte ein anderes sein als das Skelett.«
»Welches denn?«
»Das Haus, Bill. Das Haus, aus dem wir gekommen sind. Ich denke, das muss unser Ziel sein.«
Bill bestand nicht auf seinem ursprünglichen Vorschlag. Es war in dieser irrealen Welt sowieso alles auf den Kopf gestellt.
»Wenn es dich beruhigt, Erskine, dann sage ich nicht nein. Wir können den Versuch starten.«
»Danke. Wie sollen wir denn vorgehen? Am Tisch sitzend haben wir uns bei der Séance an den Händen gefasst und einen Kreis gebildet. Vielleicht sollten wir das hier auch tun.«
»Das mit dem Kreis wird wohl nicht so einfach sein.«
»Aber das Anfassen…«
Bill nickte und lächelte dabei. Es war Antwort genug, und Erskine machte den Anfang, indem er Bill die Hände entgegenstreckte. Der Reporter sah, dass die Finger des Mannes zitterten.
»Nicht so.«
»Wie denn?«
»Wir stellen uns nebeneinander«, schlug der Reporter vor, »und halten uns trotzdem an den Händen fest. Danach werden wir uns gemeinsam auf das Ziel konzentrieren.«
Erskine überlegte nicht lange. Er war froh, dass sein Vorschlag in die Tat umgesetzt werden sollte.
Bill hielt die linke Hand seines neuen Partners fest. Schon beim ersten Kontakt spürte er den Film aus Schweiß, der auf Erskines Haut lag. Das leichte Zittern war ebenfalls nicht verschwunden.
»Können wir es schaffen?« flüsterte Erskine.
»Wir schaffen es!« sagte Bill fest.
»Gut, dann glaube ich es auch.«
Was sie tun mussten, das hatten sie nicht zuvor abzusprechen brauchen. Jeder kannte seinen Part genau.
Sie sprachen nicht mehr. Es gab für sie nur die reine Konzentration. Unabhängig voneinander versuchten sie, ihre Gedanken auf die gleiche Ebene zu bringen. Nur nicht
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