1463 - Die Frau aus dem Fegefeuer
Tisch stehen blieb, nahm sie das Aussehen einer Göttin an.
Sie reckte sich noch höher. Der metallische Ausdruck war auf ihrem Gesicht geblieben. Das Rot der Augen trat nach wie vor überdeutlich hervor, und sie schaute über uns hinweg in eine Ferne, die für uns nicht sichtbar war.
»Wer ist das, John?«
»Ich weiß es nicht. Ich kenne sie nur als Mona, aber sie scheint mir mehr zu sein.«
»Der Tisch – dieser Trichter mit dem Sog – diesen Weg ist auch Bill mit diesem anderen Mann gegangen.«
»Richtig.«
»Und wenn sie ihn jetzt gehen wird oder will, John, dann wird sie das nicht allein tun.«
»Heißt das, du willst mit?«
»Ja.«
Mich durchfuhr der Schreck wie eine Lohe. »Himmel, Sheila, das kannst du nicht tun! Du wirst verschwinden. Man wird dich in die Tiefe zerren, und du wirst vielleicht für immer verschwunden sein!«
»Es geht um Bill!«
Sheila hatte sich bereits von mir gelöst. Es gab für sie kein Halten mehr. Erneut hatte sie sich in eine Löwin verwandelt, die allerdings nicht um ihre Jungen kämpfte, sondern um ihren Mann.
Und das würde sie bis zur letzten Konsequenz durchziehen. So gut kannte ich sie inzwischen.
Noch stand sie vor dem Tisch, aber es war kein Problem für sie, auf die Platte zu klettern. Nur sprang sie nicht hoch wie Mona, sondern stützte sich mit der linken Hand ab und flankte hinauf.
Mona ließ sie gewähren.
Ich erhob mich ebenfalls von meinem Stuhl. Dass die Séance so ablaufen würde, damit hätte ich nie gerechnet, aber man kann nicht von vornherein alles vorhersehen.
Die beiden Frauen standen sich gegenüber.
Ich war hin und her gerissen. Sollte ich eingreifen oder noch abwarten?
Sheilas Frage lenkte mich ab.
»Wer bist du wirklich, Mona?«
Die Antwort hörte ich ebenfalls, denn sie war laut genug gesprochen worden.
»Ich bin die Frau aus dem Fegefeuer!«
***
Sheila saß an dem Tisch, an dem auch Bill gesessen hatte. Zusammen mit John, der Bills Platz eingenommen hatte, was nur ein Zufall sein konnte.
Mona war auch da.
Durch sie nur konnte sich der Kreis schließen, denn den hatten die drei Personen gebildet, und es deutete alles auf neue Séance hin, diesmal ohne eine vierte Person.
Bill war sauer, dass Erskine anfing zu kichern. Aber er konnte sich nicht halten. Er musste einfach so reagieren, und Bill sagte nichts dazu. Irgendwann würde sich der Mann auch mal wieder einkriegen. Seine Aufmerksamkeit galt dem Bild, das auch Bill sah.
Ob es genau mit dem Erdboden abschloss, wusste er nicht zu sagen. Es konnte auch ein wenig darüber stehen, aber es war eindeutig vorhanden und keine Einbildung, denn das war auch der tote Kyle Durham nicht gewesen. Nur hatte er ein lebloses Bild abgegeben, nicht so die Szene, die Bill und Erskine jetzt vor sich sahen.
Da gab es keinen Toten. Die Personen lebten, auch wenn sie bewegungslos am Tisch saßen.
»Ich habe Angst, Bill.«
Der Reporter nickte. »Ich auch, Erskine.«
»Dann stehe ich wenigstens nicht allein. Hast du eine Ahnung, was passieren wird?«
»Die Blonde ist meine Frau, der Mann mein bester Freud.« Bill konnte das Lächeln nicht zurückhalten. »Ich denke, dass sie alles daransetzen werden, um uns rauszuholen.«
»Das schaffen sie nie!«
»Sei nicht so pessimistisch. Sie haben es auch geschafft, die alte Villa zu finden.«
»Aber sie…«
»Kein Aber, verdammt noch mal. Ich will nichts davon hören. Sie sind auf dem Weg, und das gibt mir Hoffnung.«
Erskine sah wohl ein, dass es besser war, wenn er den Mund hielt.
Sein Nebenmann machte den Eindruck, als wollte er nicht gestört werden.
Längst hielten sie sich nicht mehr an den Händen.
Bill Conolly brauchte man nicht zu sagen, wie eine Séance ablief.
Diese aber überraschte ihn schon, denn sie wurde ausgerechnet von Mona unterbrochen.
Es gab plötzlich keinen Kreis mehr.
Dafür stand Mona auf.
»Was hat sie jetzt vor?«
Bill schüttelte nur den Kopf. Er wurde Zeuge, wie Mona auf den Tisch sprang und sich ihren Platz in dessen Mitte aussuchte, wo sie stehen blieb.
Bill ließ sie nicht aus den Augen, aber für ihn war auch wichtig, wie sich Sheila und John verhielten. Sie hatte es nicht von ihren Sitzen getrieben, aber Bill glaubte, etwas von der Spannung zu spüren, die beide erfasst hielt.
Mona drehte sich auf der Tischplatte so, dass Sheila und Bill sie von vorn anschauen konnten. Ob das etwas zu bedeuten hatte, wusste er nicht zu sagen, aber in den folgenden Sekunden übersprang sein Herz mehrere Schläge, denn was er
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