1464 - Die Vergessene
tue.«
»Was?«
»Ich werde mit dir gehen.«
Fatima Orex lächelte. »Das ist sehr vernünftig. So wirst du meine Macht aus nächster Nähe erleben, und du wirst mir später sagen, dass ich Recht gehabt habe. Du kannst dein Leben nur behalten, wenn du dich auf meine Seite stellst.«
»Hör auf. Ich…« Angie wollte noch so viel sagen, aber ihr fehlten die Worte.
Zudem hörte sie das Telefon. Dessen Laut ließ sie zusammenzucken. Sie wollte schon den Arm ausstrecken, um abzuheben, als Fatima mit einer knappen Bewegung die Hand hob.
»Nein, das mache ich!«
»Wie du willst.«
»Hallo?« Mehr sagte sie nicht. Sie lauschte, aber sie wiederholte das Wort nicht. Dann legte sie auf.
»Wer war das?« flüsterte Angie.
»Kann ich dir nicht sagen. Er hat keinen Namen genannt. Vielleicht hat ihn meine Stimme irritiert. Aber das ist für uns nicht mehr wichtig.« Sie stand auf.
»Was hast du vor?«
Fatima lächelte auf Angie nieder. »Wir fahren. Wir verlassen deine Wohnung.«
»Jetzt schon?«
»Ja, ich habe mich anders entschieden. Man kann das Rad auch bei Tageslicht genießen.«
Ab jetzt wusste Angie Lee, dass es kein Zurück mehr für sie gab…
***
Mit einer zeitlupenartigen Bewegung ließ ich den Hörer wieder auf den Apparat sinken. Ich war blass geworden, das wusste ich, und Sukos Blick brannte praktisch auf meinem Gesicht.
»Und?« flüsterte er.
»Es ist eine fremde Stimme gewesen.«
»Mann oder Frau?«
»Eine Frau«, murmelte ich.
»Dann ist diese Fatima Orex bei ihr.«
Ich nickte. »Das befürchte ich auch, Suko. Ja, sie wird ihre Pläne geändert haben.«
Ich merkte, dass mein Herz schneller klopfte. So hatten wir uns den Fortgang nicht vorgestellt. Überhaupt war uns alles aus der Hand genommen worden. Wir jagten einem Phantom nach. Wir hatten die Person noch nie lebend vor uns gesehen und kannten sie nur vom Bildschirm. Aber da hatten wir sie nicht anfassen können.
Okay, einen hundertprozentigen Beweis, dass es sich um diese Fatima Orex handelte, hatten wir nicht. Aber welche Alternative wäre noch infrage gekommen?
»Wir sollten etwas unternehmen«, murmelte Suko vor sich hin.
»Die Frage ist nur, was. Welcher Weg ist der richtige?«
»Ich weiß es noch nicht.«
»Sie wollten doch zu diesem Riesenrad.«
»Richtig. Aber erst später.«
Suko hob die Augenbrauen. Sein Gesicht zeigte eine gewisse Skepsis. »Bist du dir da sicher?«
»Verdammt, ich weiß nicht mehr, was ich noch alles glauben soll. Wer sagt mir, was richtig ist, was wir tun sollen?«
»Niemand.«
»Du gehst also davon aus, dass die Orex den zeitlichen Ablauf ihres Plans ändert?«
»Ja, das wäre möglich. Wenn ich an Stelle dieser Frau wäre, würde ich mich unter Zugzwang gesetzt fühlen. Das ist meine Ansicht. Sie muss nicht stimmen…«
»Schon okay«, erwiderte ich. »Und es hat auch keinen Sinn, wenn wir warten, dass etwas passiert. Zum London Eye wollte sie, und ich glaube nicht, dass sie ihre Pläne geändert hat. Da steckt etwas Bestimmtes dahinter…«
»Diese Fatima will ihre Macht beweisen, John. Das ist alles. Ja, sie will zeigen, dass sie Macht besitzt, und das kann für Angie Lee lebensgefährlich werden.«
Man konnte es drehen und wenden. Keiner von uns kannte Fatima Orex’ Absichten, denn wir waren beide keine Hellseher. Auch wenn die beiden Frauen erst später zum Zielort kommen würden, ob wir die Wartezeit nun hier verbrachten oder an der Themse im Schatten des Riesenrads, das spielte keine Rolle.
Wenn sie sich allerdings jetzt schon auf den Weg machten, wurde es für uns Zeit.
»Wir fahren«, sagte ich.
Suko zeigte ein knappes Lächeln. Er war schon zwei Sekunden später an der Tür.
Zugleich war es der Zeitpunkt, an dem die alarmierten Kollegen eintrafen, die sich um den toten Chefredakteur kümmern mussten.
Es würde keine große Spurensicherung geben, das veranlassten wir.
Der Tote sollte nur abtransportiert werden.
Ich gab die entsprechenden Instruktionen und sah dann zu, dass ich Suko folgte. Er stand bereits vor dem Haus und machte den Eindruck eines Menschen, dem die Zeit auf den Nägeln brannte.
Das war bei ihm selten zu sehen. Er schien so etwas wie eine Vorahnung zu haben.
»Ich denke, dass wir uns beeilen sollten, John.«
»Weißt du mehr?«
»Nein.« Er lächelte schmal. »Aber diesmal ist es umgekehrt. Da verlasse ich mich auf mein Bauchgefühl…«
***
»Gefällt es dir?«
Diese Frage war der reine Zynismus, und Angie Lee gab der Frau, die behauptete, aus
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