1466 - Tödliche Küsse
einzustellen.
Jane schaute geradewegs gegen eine hell gestrichene Wand, bevor sie den Lift verließ. Sie drehte sich nach rechts, denn dort befand sich die Tür zu der einzigen Wohnung, die es hier oben gab. Wer sich das leisten konnte, der musste einen guten Job haben. Anscheinend verdiente man als Callboy eine Menge Kohle.
Attila Caine musste ein gutes Zeitgefühl haben, denn kaum hatte Jane den Lift verlassen, da öffnete sich die Tür zu dem Apartment.
Sie wurde so weit aufgezogen, dass Jane den Mann sah, der auf der Schwelle stand und sie anlächelte.
Sie war schon einen Schritt weit gegangen. Jetzt aber blieb sie stehen, um die Erscheinung zu betrachten.
In der Tat handelte es sich bei ihm um eine Erscheinung. Er hätte auch als Vampir durchgehen können, denn seinen Körper umgab ein Umhang aus dunkler, schillernder Seide. Er trug keine Schuhe, und Jane fielen sofort die kräftigen Zehen an seinen bloßen Füßen auf.
Aber auch das Gesicht!
Man konnte es als hart und männlich beschreiben. Genau die Art von Physiognomie, auf die viele Frauen flogen. Besonders diejenigen, die zu Hause eine Niete im Bett hatten, und dazu schien Commander Hellman zu gehören, sonst hätte seine Frau nicht diesen Menschen besuchen müssen. Oder aber Commander Hellman suchte sein Vergnügen woanders. Darüber hatte Jane nicht zu richten.
Sie wollte nur die verschwundene Sue finden.
Beim Lächeln zeigte Caine zwei makellose Zahnreihen, die so hell schimmerten, dass sie nicht echt sein konnten. Er machte keineswegs den Eindruck, erschöpft zu sein. Möglicherweise trug auch Janes Aussehen dazu bei, denn als er sie sah, funkelte es in seinen Augen.
»Sie sind Jane?«
»Ja.«
»Das hätte ich nicht erwartet.«
»Wieso? Warum?«
»Eine Frau, die so gut aussieht. Kompliment.«
Die Detektivin war näher an ihn herangetreten und blieb dicht vor ihm stehen. »Man sollte sich nie Vorstellungen von einem Menschen machen, bevor man ihn gesehen hat. Ich kannte mal einen Mann, der hatte eine einfach irre Stimme. Sagenhaft sexy, doch als ich ihn dann sah – na ja, schweigen wir darüber.«
»Das ist auch besser so. Aber Sie wollen sicher nicht vor der Tür stehen bleiben. Bitte, treten Sie ein.«
»Danke.«
Er gab den Weg frei, und Jane konnte in die Wohnung treten, die alles andere als schaurig aussah. In dieser Umgebung hätte man nie einen Mörder vermutet.
Sie sah einen langen Flur vor sich, von dem einige Türen abgingen. Es hingen auch Bilder an den Wänden. Was sie zeigten, war alles andere als jugendfrei. Vom Strich her allerdings perfekt, und Jane konnte nur staunen über so viel künstlerisches Talent.
»Gefallen Ihnen die Werke?«
»Sie sind genial.«
»Danke, ich werde es dem Künstler ausrichten. Oder meinen Sie die Motive?«
Jane hatte das Lauern in der Stimme nicht überhört. »Man könnte sagen, dass beides zusammenpasst.«
»Sehr gut. Die Motive habe ich ihm vorgegeben.«
Jane schaute ihn an. »Sie werden es kaum für möglich halten, aber das habe ich mir beinahe gedacht.«
»Dann können wir wohl alle zufrieden sein. Darf ich Sie jetzt in den Wohnraum bitten?«
»Gern.«
Der Mann öffnete eine Tür, und Jane dachte darüber nach, dass es schwer war, sein Alter zu schätzen.
»Sie dürfen sich setzen, wo Sie wollen«, sagte er und breitete die Arme aus.
Jane schaute sich die helle Wohnlandschaft an, die sich in der Mitte des großen Zimmers ausbreitete. Eine halbrunde Couch mit hellem Leder bezogen, ein Tisch mit einer Glasplatte, der Barwagen aus Glas. Die Regale an den Wänden bildeten einen harten Kontrast. Sie schimmerten in einem polierten Schwarz, waren also sehr empfänglich für Staub, aber Jane sah nirgendwo auch nur ein Körnchen.
Das Fenster bot einen prächtigen Blick in den nahen Grüngürtel, und wenn jemand ging, dann versanken seine Füße in einem hellen, flauschigen und sehr sauberen Teppich.
»Was darf ich Ihnen zu trinken anbieten? Ich kann mit allem dienen…«
»Danke, das denke ich mir, aber deswegen bin ich nicht gekommen, Mr. Caine.«
»Oh. Plötzlich so förmlich? Und woher wissen Sie eigentlich meinen Namen? An der Tür stehen nur meine Initialen.«
»Den habe ich von der Telefongesellschaft. Und Sie brauchen nicht enttäuscht über meine Förmlichkeit zu sein. Ich bin keine Kundin für Sie.«
»Das hatte ich schon gesehen. Ich war trotzdem neugierig zu sehen, wer mich da besuchen will.«
Jane hatte beschlossen, ihren wahren Beruf zu verschweigen. Zumindest
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