147 - Hinter der Totenmaske
menschlicher. Also konnte er auch keinem gestorbenen Menschen
zugeschrieben werden.
Das Ding
stammte aus einer anderen Welt!
Langsam, wie
ein Berauschter, legte er sich auf das Sofa, streckte die Beine aus und führte
dann die makabre Maske, die auf der anderen Seite hohl war, seinem Gesicht
entgegen.
»Nein«,
murmelte er leise. »Nein - ich will nicht...«
Seine Hände
zitterten stärker. Es sah aus, als versuche er verzweifelt, die Annäherung der
Maske an sein Gesicht zu verhindern.
Sekundenlang
schwebte sie über seinem Antlitz, und er hielt sie mit beiden Händen an den
Seiten umfaßt. Es war ein verkrampftes Halten, als ob er sich bemühe, ein
großes Gewicht von sich wegzudrücken. An den Druckstellen wurden seine Finger
weiß.
Aber er
konnte nicht. Er sehnte sich nach der Welt, in die die Maske ihn führte.
Es war wie
bei einem Raucher, der wußte, daß mit jeder Zigarette die Gefahr größer wurde,
einen Kehlkopf- oder Lungenkrebs zu riskieren, wie bei einem Trinker, der die Flasche
verdammte und doch nicht davon los kam, wie bei einem Rauschgiftsüchtigen, der
wußte, daß der Genuß der Droge in die Katastrophe führte. So wußte auch Walter
Hordegen, daß das Aufsetzen der Maske ihn ins Verderben stürzte. Je öfter er
sie benutzte, desto schneller ging der Zerfall vonstatten.
Dem ersten
Mal schon hätte er widerstehen müssen. Er hatte es nicht getan. Die Dinge
mußten ihren Verlauf nehmen.
Er konnte
dem Wunsch, der gleichbedeutend war wie das Verlangen nach einem süßen Tod,
nicht länger widerstehen. Es war ein Hineingleiten in den Tod auf Etappen, ohne
daß er etwas zu tun vermochte.
Sein
Verstand, seine Sinne waren schon zu verwirrt, seine Widerstands^ kraft zu
geschwächt, als daß er noch hätte dagegen kämpfen können.
Und dann
berührte die Maske sein
Gesicht.
Die
Berührung war wie der kalte Kuß des Todes.
Hordegen
fühlte eisige Luft über sein Gesicht streichen, und dann meinte er, in eine
endlose Tiefe zu stürzen, in einen Schlund, gegen den die Weite des Universums
überschaubar schien.
Vor seinen
Augen begann es zu flimmern.
Rote und
gelbe Nebelfetzen jagten vorüber.
Hordegens Herzschlag
verlangsamte sich, seine Haut wurde kalt und weiß wie die einer-Leiche. Er
atmete kaum noch.
Die farbigen
Schleier vor seinen Augen verdichteten sich und wurden zu klar erkennbaren,
aussagekräftigen Bildern.
Und nur
diese Bilder waren es, dieses Hineingleiten in eine von Lebenden nie geschaute
Welt, nach denen seine Sinne fieberten.
Sein ganzes
Wesen wurde erfaßt und mitgerissen, war erfüllt von der Atmosphäre, die er sah
und in die mitten hinein er sich versetzt fühlte.
Vor ihm
breitete sich eine schaurige, fremdartige Vulkanlandschaft aus. Der Himmel war
glühend rot, heiße gelbe Dämpfe stiegen senkrecht aus den Kratern und
geisterhaftes Raunen und Fauchen lag in der Luft.
Hordegen
meinte hineinzuschweben in diese Landschaft. Doch die Bewegung nahm er nur
beiläufig wahr. Es war wie ein Traum, und es war doch keiner. Es war ein
direktes Miterleben mit dem Wissen, daß der Körper gefährdet war, daß der Tod jeden
Augenblick unbarmherzig und grausam zuschlagen- konnte, weil dies mehr war als
nur ein Sehen oder Fühlen - es war Zugehörigkeit zu dieser höllischen
Landschaft.
Seine
Identität wurde ihm nicht mehr bewußt. Er war auf geheimnisvolle Weise
losgelöst von seinem Körper, ohne ihn zu sehen oder zu spüren. Er wußte nicht
mal mehr, daß er zu Hause auf dem Sofa lag, daß er die Totenmaske trug. All
sein Sehnen und Fühlen steckte in den Bildern, die ihn einlullten, ihn seinen
Körper, seinen Geist und seine Seele vergessen ließen. Er war bereit, alles zu
opfern, um die tödliche Gefahr bis zum letzten zu kosten.'
Schon dieser
Gedanke war purer Irrsinn. Doch auch dies erkannte er nicht.
Er war
mitten im Geschehen und wurde Zeuge von Ereignissen, die es in dieser Form auf
der Erde, wie jedermann sie kannte, nicht geben konnte.
Oder doch?
Schwer und
zähflüssig schwappte glutende Lava zwischen den Ritzen und schmalen Schluchten
und bildete einen riesigen See, der sich seitlich ausdehnte, so weit das Auge
reichte. Auf diesem See entstand Bewegung. Ein Floß glitt mit der Strömung
direkt auf ihn zu.
Hordegen
konnte den Blick nicht lösen von diesem neuen Eindruck, den er gewann.
Es war ein
makabres Floß.
Die
Grundfläche bestand aus schweren, langen Knochen, die an den Enden von breiten,
faserähnlichen Bändern zusammengehalten wurden. Mitten auf
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