147 - Hinter der Totenmaske
tanzt und den lieben Gott einen guten Mann
sein läßt. . . Sag’ mir nur, wie du in die Hände dieses grinsenden Widerlings
gefallen bist?«
Mit diesen
Worten warf er dem breitbeinig vor ihm stehenden, muskulösen Ortez einen
vernichtenden Blick zu.
Mit leiser
Stimme berichtete Morna davon, wie es ihr in Wien ergangen war. Ohne größere
Schwierigkeiten hatte sie es geschafft, sich der Zigeunergruppe anzuschließen,
die sich auf dem Weg nach Ungarn befand. Die Schwedin hatte sich als Managerin
eines Konzertbüros ausgegeben und behauptet, auf der Suche nach jungen,
vielversprechenden Nachwuchskünstlern zu sein. Dabei legte sie den größten Wert
auf wirkliche Naturbegabungen. Die Gruppe, die sie zusammenstellen wolle,
sollte einen folkloristischen Touch bekommen, und so war sie besonders auf der
Suche nach Gitarre und Geige spielenden Zigeunern.
Das alles
hörte sich plausibel an, und man glaubte ihr die Geschichte.
Die Leute,
mit denen sie gesprochen hatte, nahmen sie auf. In persönlichen Gesprächen
brachte Morna dann geschickt die Rede auf die Totenmaske, von der sie angeblich
schon mal etwas gehört hätte. Allein diese Bemerkung genügte, um sie von Minute
an scharf zu beobachten. Doch dies war der sonst so cleveren Schwedin
offensichtlich entgangen. Dann fand sie sich morgens gefesselt und geknebelt in
einem Wohnwagen wieder, der nicht mehr Richtung ungarische Grenze rollte,
sondern Richtung Frankreich.
Eine
Zigeunerfamilie nahm an dem Treffen teil, wo sich jene Sippen versammelten, die
auf Ortez’ Weisungen hörten.
Während der
Fahrt bekam Morna Ulbrandson zu hören, wenn sie schon so interessiert an der
Totenmaske sei - dann solle sie sie auch selbst zu Gesicht bekommen.
Ortez, den
sie an diesem Morgen zum ersten Mal gesehen hatte, war der gleichen Meinung. Um
sie ruhig zu stellen, injizierte man ihr wieder ein Betäubungsmittel, und sie
fiel in einen langen, tiefen und traumlosen Schlaf, aus dem sie erst durch den
Wasserguß wieder erwachte.
X-RAY-3
seufzte. »Es ist zwar schön, neben dir zu liegen und zu wissen, daß du da bist
- aber am liebsten würde ich dich jetzt nach Wien oder Budapest wünschen, wo du
nicht in dieser Ungewißheit leisen würdest, in der wir beide uns nun befinden .«
»Die
Ungewißheit kann ich schnell für euch in Gewißheit umwandeln«, schaltete Ortez
sich mit seiner dunklen, überheblich klingenden Stimme ein. »Im Rhythmus von
sieben Jahren treffen wir uns hier, um das Fest zu feiern, das auf „Ihn“ zurückgeht. . .«
»Wer ist
damit gemeint ?« reagierte Larry sofort. Er hoffte, daß
es ihm gelang, mit Ortez einen Dialog zu führen. Dies hatte zwei Vorteile.
Erstens würde der Zigeunerkönig in seinem Triumph manches von sich geben,
worüber er sonst sicher schwieg, zweitens gewann er dadurch Zeit. Und das war
fast noch wichtiger. Zeitgewinn bedeutete, daß er vielleicht doch noch
Gelegenheit fand, irgend etwas zu unternehmen. Vor allem arbeitete er
unablässig daran, seine Fesseln zu lockern. Und je mehr Zeit ihm zur Verfügung
stand, desto aussichtsreicher war sein Unternehmen.
»„Er“ hat
keinen Namen. Er stammt nicht von dieser Welt, hat das Volk der „Fahrenden“
jedoch vor zwei Jahrhunderten lange Zeit begleitet.
Wir wissen nicht, woher er kam und wer er war. Doch er hat uns ein Geheimnis
hinterlassen. Das Geheimnis des Lebens und Sterbens, das der Sichtbarkeit und
Unsichtbarkeit. Seinem Andenken zuliebe treffen wir uns alle sieben Jahre
jeweils an einem anderen Ort, um das Fest der Totenmaske zu begehen. Mindestens
einer ist dann auserkoren, hinüberzugehen in die Welt, die „Er“ wie kein
zweiter kannte und die auch die Toten sehen, wenn sie dieses Dasein verlassen.
Man kann „Ihn“ am ehesten als Geist, Dämon, Totenbeschwörer, Wesen aus einer
anderen Welt bezeichnen, wie man es will... Alle Namen passen zu ihm und doch
wird keiner seiner wahren Gestalt, seiner wahren Herkunft gerecht. Hinter der
Totenmaske, die ein wahrer Abdruck „Seines“ Gesichts ist - wird der Träger die
Welt wahrnehmen, die „Er“ mit eigenen Augen sah, wird berauscht sein von den
Bildern, fasziniert von dem Geschehen und vergessen, daß er noch in diese Welt
gehört, die man als die der „ Lebenden „ bezeichnet. Auch auf der „anderen
Seite“ gibt es noch Lebende - doch in einem anderen Sinn, als wir es hier
verstehen. „Ihm“ zu Ehren schicken wir alle sieben Jahre mindestens eine Person
nach „ drüben „, damit er weiß, daß wir noch immer an ihn
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