147 - Hinter der Totenmaske
Moment um die Ecke und
verschwanden gleich darauf im Operationssaal.
Estrella
hatte recht behalten.
Es kam nicht
dazu, daß man ihren Brustkorb öffnete, um das durchlöcherte Gefäß zu operieren.
»Exitus«,
sagte in diesem Moment der Chirurg und legte das Skalpell zurück auf das silbem
blitzende Tablett.
Alle
Möglichkeiten, die man hatte, wurden ausgeschöpft, um das Herz der Zigeunerin
nochmal zum Schlagen zu bringen.
Doch weder
Sauerstoffzufuhr, noch eine Herzmassage, noch hochwirksame, in die Vene
injizierte Präparate zeigten Wirkung.
Ein weißes
Laken wurde über das Gesicht der Frau gezogen.
Dr. Chanol
verließ gesenkten Hauptes den Operationssaal und kehrte nochmal in das
Krankenzimmer zurück, in dem Iwan Kunaritschew untergebracht war.
Der Arzt
fand das Zimmer - leer.
Das Fenster
stand weit offen, auf dem Bett lag säuberlich zusammengelegt das
Leinennachthemd. Iwan Kunaritschews Kleider waren verschwunden.
Der Russe
war aus dem Fenster gestiegen und in der Dunkelheit untergetaucht.
Chanol
seufzte. »Was für ein verrückter Tag!«
Seine
Verwirrung stieg, als er drei Minuten später eine Hiobsbotschaft entgegennahm.
»Die
Zigeunerin, Doktor«, teilte die dunkelhaarige Krankenschwester ihm mit, »ist -
verschwunden ...«
»Das gibt’s
doch nicht !« entfuhr es Chanol.
Auf halbem
Weg zur Leichenkammer war das Laken über der Toten plötzlich zusammengesackt,
als hätte jemand den Körper darunter weggezogen.
Der Pfleger,
der Zeuge dieses Vorfalls wurde, hatte erschreckt das Tuch weggenommen und das
Fehlen der Toten festgestellt.
Chanol hatte
einen Verdacht.
Er mußte
daran denken, wie Iwan Kunaritschew mit der Unsichtbaren gekämpft hatte. Sie
war nicht zu sehen gewesen, aber zu fühlen ...
Die leere
Bahre stand in der Leichenhalle.
Chanol
streckte seine Hand aus und ließ sie dann langsam sinken. Er war überzeugt
davon, daß die Bahre nicht leer war, sondern daß man den Körper der wieder ins
Unsichtbare zurückgeglittenen Zigeunerin noch deutlich fühlen konnte.
Er fragte
sich jedoch, weshalb keiner seiner Kollegen mit irgendeinem Wort diesen
merkwürdigen Umstand ansprach.
Chanols
Hände sanken tiefer ...
Dann stutzte
er. Seine Augen verengten sich.
Was war das?
Spätestens
jetzt hätte er fühlen müssen, daß dort jemand lag, den man zwar nicht sah, der
aber trotzdem vorhanden war.
Doch der
Raum zwischen der Oberfläche der Liege und seinen Handtellern war schon so
gering, daß es sich um eine sehr flache, dünne Person hätte handeln müssen.
Dann
berührte Chanol mit beiden Händen das Laken, fühlte darunter das grobgewebte
Tuch der Bahre und umspannte schließlich das kühle Gestänge der Liege.
»Sie ist
weg«, entfuhr es ihm, ohne daß ihm das bewußt wurde.
Madame
Estrella war nicht nur unsichtbar - sie war im Tod auch körperlos geworden. Das
Jenseits, das sie zu Lebzeiten sehen konnte und sogar nach Bedarf aufsuchte,
hatte sie nun mit Haut und Haaren verschlungen . . .
*
Vollmond!
Hell und silbern lag das Licht des Erdtrabanten auf den Felsen und der großen,
birnenförmigen Bucht, wo die Autos und Wohnwagen der eingetroffenen Zigeuner
parkten.
Am frühen
Abend, kurz vor Einbruch der Dunkelheit, schienen alle eingetroffen zu sein,
die man erwartete.
Während der
letzten Stunden hatte Larry Brent seinen ursprünglichen Beobachtungsplatz in
luftiger Höhe aufgegeben und war dem Lager bis auf wenige Meter nahegekommen.
Noch immer
herrschte reger Betrieb.
Die
Feuerstellen waren erloschen, Menschen standen oder saßen in Gruppen beisammen,
alle Lichter in den Wohnwagen waren ausgeschaltet.
Nur noch der
Mond bot ausreichend Helligkeit und beleuchtete den großen Platz, auf dem sich
etwa dreihundert Menschen versammelt hatten.
Erstaunlich
und beklemmend war die allgemeine Ruhe, die ringsum herrschte.
Es kam Larry
so vor, als wäre selbst das Rauschen der Wellen nach dem Aufgehen des
Vollmondes leiser, gedämpfter geworden.
Die
unheimliche, unnatürliche Ruhe war es, die ihn irritierte.
Es war eine
Stimmung der Erwartung. Irgend etwas lag in der Luft, etwas, das nichts Gutes verhieß .. .
X-RAY-3
spürte es beinahe körperlich.
Geduckt lief
er im Schatten der Felswand. Er blieb hinter einem Steinblock stehen und
blickte zu der großen, schwarzen Höhlenöffnung, die sich deutlich von der
dunklen Felswand abhob, über die langsam das Mondlicht wanderte.
Da öffnete
sich die Wagentür auf der Mitte des Lagerplatzes. Es war der größte
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