147 - Panik in Porto
große Segelboote, Fischerboote und, meist weit entfernt, größere Frachter überholten, blieben zurück, zeichneten sich am Horizont ab. Die letzten Reste des Dunstes und der Nebelbänke an den Küsten lösten sich auf.
Thomas Schyller hatte seine Beine in den weißen, zusammengetretenen Decksschuhen entspannt auf das Armaturenbrett gelegt und träumte: vielleicht von Roquette, wahrscheinlich vom Tauchen, mit Sicherheit aber von einer reibungslosen Seefahrt.
Die Herrschaft der Dämonen warf viele kleine Schatten auf einen Teil der Insel.
Die Vampir-Fledermäuse schwärmten und flatterten durch die Nächte und überfielen das Vieh der Hirten. Sie krallten sich in die Rücken der Rinder und saugten deren Blut. Das Gift ihrer langen, spitzen Krallen hinterließ eiternde Wunden, an denen die Tiere nach einiger Zeit elend verendeten. Noch vor dem ersten Morgengrauen kamen die Flatterer zurück und schlüpften durch die Löcher im Mauerwerk und zwischen den Balken hindurch. Sie waren satt und träge und träumten von ihren nächsten Raubzügen. Kopfüber hängten sie sich an Balken, hervorstehende Steine und Gesimse. Sie schlossen ihre riesigen, halbblinden Augen und falteten die Schwingen zusammen.
Die Schlange hatte in dieser Nacht einen Hühnerstall heimgesucht.
Ihr Blick aus leuchtenden Dämonenaugen lähmte das Federvieh. Sie machte sich über die Eier her, verschlang eines nach dem anderen und packte danach den fetten Hahn, zwei junge Gänse und drei Hennen. Ihr Weg um das einsam stehende Anwesen war gekennzeichnet von Blut und ausgerissenen Federn. Bevor sie sich in eine tiefe, feuchte Erdhöhle zurückzog und bis zum nächsten Sonnenuntergang versteckte, schlug Shyhr ihre langen Reißzähne in ein großes, fettes Mutterschwein.
In der nächsten Nacht würde die dicke Fetthaut der Sau die aufgelösten Innereien zusammenhalten, wie ein Ziegenschlauch das Wasser oder den Wein darinnen.
Die langen Stunden im Versteck wuchs die Gier nach diesem Festmahl. In der nächsten Nacht würde es soweit sein.
Gisebauxe war unterwegs zu einem ihrer Hirten.
Zu Firnu, dessen weißes Haar sie lockte. Sie glitt über dunkle Pfade und lief durch Gräserfelder, die im Mondlicht silbern aufleuchteten, wenn der Wind darüber hinwegfuhr.
Gisebauxe lief bergauf, bergab. Sie war ausgehungert nach menschlichem Blut. Firnu war mit seinen Herden in den letzten Monden weitergezogen, höher in die Berge hinauf und weiter nach Süden. Unter Korkeichen, die sich schüttelten, lenkte sie ihre Schritte von einem Felsblock zum anderen, duckte sich unter langen, harzig riechenden Ästen und suchte den Schein des Hirtenfeuers.
Ihre hochentwickelten Sinne suchten und forschten nach allen Richtungen. Sie wußte, daß die Menschen sie haßten, obwohl kaum einer sie je hatte sehen können. Die wenigen Männer, die ihr rettungslos verfallen waren, redeten nicht miteinander, weil sie sich länger als ein halbes Jahr nicht trafen. Und im nächsten Jahr würde keiner von ihnen den Namen des weiblichen Vampirs nennen können.
Zugleich mit den Echos von einer großen Menge dumpfen Lebens nahm Gisebauxe den Geruch von Ziegen, vielen Schafen und einigen Rindern auf. Es gab viele Junge; Coris, der Geier, würde nicht zu hungern brauchen.
Zwischen den kantigen Steinen schoben sich rote Glut und weißer Rauch hervor. Schon begannen die Hirtenhunde wieder zu jaulen und zu heulen. Gisebauxe spitzte ihre schwellenden Lippen und pfiff eine kurze Melodie, die dem Lied des Todesvogels glich.
Hier und jetzt lebte Firnu in einer dreieckigen Hütte aus Holzstangen, Zweigen und Rindenstücken. Sie hielten sein Lager trocken, und unter den Zweigen des Baumes hingen die Teile seiner Ausrüstung.
„Zeige dich, Geliebter!" rief sie mit jener Stimme, von der sie wußte, daß sie ihn rasend vor Leidenschaft und Sehnsucht machte.
„Ich bin hier", sagte er und kam, auf seinen Stock gestützt, hinter dem Steinblock hervor. Die Hunde hatte er mit einigen barschen Zurufen beruhigt.
Die Vampirin glitt auf ihn zu und hängte ihren Umhang auf den untersten Ast. Sie war schön und begehrenswert wie immer seit dem ersten Tag, an dem sie sich ihm hingegeben hatte.
„Du bist wieder gekommen", sagte der Hirte mit brüchiger Stimme. Er roch nach Kräuterwein und streckte die Hand nach Gisebauxe aus. Firnus Haar war schlohweiß geworden. Sein Gesicht wirkte zerknittert und vergilbt wie Herbstlaub. Sein Rücken krümmte sich, obwohl er nicht älter als drei Jahrzehnte
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