1470 - Der Wechselbalg
sofort in den Wagen und fahren los.«
»Wir?«
»Ja. Ich komme mit einem Freund und Kollegen.«
»Ja.« Er lachte. »Das ist dieser Suko, ein Chinese, wie ich gehört habe.«
»Genau der.«
Ich hörte ihn wieder tief durchatmen. Dann sagte er: »Gut, ich werde auf Sie warten, Mr. Sinclair, und ich hoffe, dass ich Seth bis dahin bei mir behalten kann.«
»Seth, hm…«, murmelte ich. »Das klingt irgendwie nach Ägypten.«
Ich hörte sein Lachen. »Genau das habe ich mir auch gedacht. Leider bin ich nicht so firm darin, was die Götterwelt der Ägypter angeht.«
»Ich auch nicht. Ein wenig weiß ich Bescheid. Wenn mich nicht alles täuscht, ist Seth der Bruder des Osiris und auch dessen Mörder. Manche bezeichnen ihn als Geist des Bösen. Hin und wieder wird er in den Darstellungen als hässliches Untier gezeigt.«
»Nun ja, so hässlich ist er nicht. Nur ungewöhnlich mit seinen beiden Flügeln.«
»Sind die normal?« fragte ich.
»Wie meinen Sie das?«
»Bestehen Sie aus Federn?«
Rooney lachte. »Da fragen Sie mich was. Ich glaube schon, aber angefasst habe ich sie noch nicht.«
»Das werden wir herausfinden. Versuchen Sie auf jeden Fall, Seth von einer weiteren Flucht abzuhalten.«
»Das kann ich Ihnen versichern. Ich freue mich, dass Sie zugestimmt haben, Mr. Sinclair.«
Um nicht alles wiederholen zu müssen, hatte ich den Lautsprecher eingeschaltet. So hatten Glenda und Suko mithören können. Als ich mich zu ihnen umdrehte, schaute ich in ihre erstaunten Gesichter.
»Probleme?« fragte ich lächelnd.
»Du nicht?« meinte Glenda.
»Es geht.«
Sie deutete kurz mit dem Zeigefinger auf mich. »Wie ich dich kenne, hast du dabei an eine gewisse Carlotta gedacht. An deine Freundin, das Vogelmädchen.«
»Genau.«
»Willst du in Dundee anrufen?«
»Das hatte ich vor.«
Carlotta, das Vogelmädchen, lebte zusammen mit der Tierärztin Doktor Maxine Wells in Dundee. Carlotta war ein Phänomen. Ein genmanipuliertes Wesen, eine Mischung aus Vogel und Mensch.
Hergestellt in einem Labor. Carlotta konnte fliehen und hatte danach das Glück gehabt, in die Hände der Tierärztin zu fallen.
Ich hatte mich auch eingemischt, die Genfabrik war zerstört und Carlotta war gerettet worden. Nun lebte sie bei Maxine Wells, praktisch vor der Umwelt verborgen, denn ein junges Mädchen mit Flügeln auf dem Rücken war ein Phänomen und unglaublich. Gemeinsam waren wir in einige Fälle hineingeraten, und Carlotta hatte ebenso wie Maxine Wells erleben müssen, dass es auch eine dämonische Seite der Welt gab.
Ich hatte natürlich vor, zu Rooney zu fahren. Allerdings wollte ich auch mit Carlotta und Maxine reden, weil ich einen bestimmten Verdacht nicht loswurde.
Ich rief die Tierärztin an.
»John!« jubelte sie. »Das ist eine Überraschung. Bist du in Dundee?«
»Nein, hier in London.«
»Und was gibt’s? Willst du mir deinen Besuch ankündigen?«
»Nein, leider nicht.«
»Schade.«
Aus den Augenwinkeln nahm ich wahr, dass Glenda Perkins lächelte. Ein Rest von Eifersucht steckte noch in ihr.
Denn Maxine Wells war ledig und eine hübsche Frau.
»Die Wahrheit sieht nicht so gut aus, Maxine«, sagte ich. »Es geht hier um ein Phänomen, das mir Sorgen bereitet.«
»Kann ich helfen?«
»Indirekt.«
»Lass hören.«
Ich legte ihr die Tatsachen dar, und Maxine hörte gespannt zu. An und zu vernahm ich einen heftigen Atemzug, wenn ich Seth erwähnte, und als ich meinen Bericht beendet hatte, da blieb sie zunächst mal still.
»Na, alles verstanden?«
»Ja, das habe ich. Aber es hat mich fast aus den Schuhen gehauen. Das ist wirklich ein Hammer.«
»Können wir davon ausgehen, dass dieser Seth aus derselben Genfabrik stammt wie Carlotta?«
»Das weiß ich nicht. Angeblich ist sie die Einzige, die entkommen konnte. Von einem zweiten Vogelkind habe ich nichts gehört.«
»Frag sicherheitshalber noch mal nach.«
»Bleibst du so lange am Telefon?«
»Klar.«
Maxine Wells entfernte sich. Es wurde still, und ich machte es mir auf meiner Schreibtischkante bequem. Glenda und Suko standen schweigend im Hintergrund.
Es dauerte wirklich nicht lange, da hörte ich wieder die Stimme der Tierärztin.
»Ich habe mit Carlotta gesprochen, John. Sie kann sich das auch nicht vorstellen. Soviel ihr bekannt ist, hat sie als einzige Person die Flucht aus dieser Hölle geschafft. Von einem anderen weiß sie nichts, und es hat sich auch niemand mit uns in Verbindung gesetzt.«
»Okay, das wollte ich nur wissen.«
»Aber
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