1470 - Der Wechselbalg
richtig glauben kann. Aber ich bekomme noch heraus, was dich bedrückt und was hier gespielt wird. Darauf kannst du dich verlassen.«
Er ging nicht darauf ein. »Sollte sich etwas ändern, rufe ich dich an. Hast du ein Handy mit dabei?«
»Hm!« erwiderte sie murrend. »Dazu ist man ja heute fast schon gezwungen. Ja, ich habe eines mit.«
»Dann lass es bitte eingeschaltet.«
»Mach ich, mein Junge. Aber bilde dir nichts ein. Ich bekomme noch heraus, was hier gespielt wird. Wetten?«
»Lieber nicht, Mutter. Du gewinnst immer.« Wayne beugte sich vor und hauchte Lilian einen Kuss auf die Stirn. »Pass auf dich auf.«
»Danke, Wayne, aber das solltest du dir auch hinter die Ohren schreiben.«
»Mach ich doch glatt.«
Mehr gab es zwischen Mutter und Sohn nicht zu besprechen. Wayne wartete noch vor der Tür, bis seine Mutter ihren kleinen Fiat aus der Garage geholt hatte, eingestiegen war und dann losfuhr. Wer hier als Nachbar bezeichnet wurde, der wohnte oft so weit entfernt, dass es sich schon lohnte, mit dem Wagen zu fahren.
Rooney schloss die Tür und musste zunächst mal wieder zurück in seine eigene Gedankenwelt finden. Er hatte sich ein Problem mit dem Namen Seth an den Hals gehängt, und es war so stark, dass er sich zu schwach fühlte, allein damit fertig zu werden. Seiner Meinung nach waren hier Naturgesetze auf den Kopf gestellt worden.
Aber es gab einen Menschen, der sich mit derartigen Fällen beschäftigte. Nicht in seiner Abteilung, sondern beim Yard. Der Mann hieß John Sinclair, mit Spitznamen auch Geisterjäger. Das hatte sich auch bei den anderen Institutionen herumgesprochen. Wayne Rooney wusste auch, dass man sich auf Sinclair verlassen konnte. Persönlich war Wayne dem Geisterjäger noch nicht begegnet, doch er wusste genau, dass Sinclair für derartige Probleme stets ein offenes Ohr hatte.
Wayne setzte sich an den Küchentisch. Seine Mutter hatte das Glas mit dem Mineralwasser nicht geleert. Das übernahm Wayne für sie.
Dann holte er sein Handy hervor, ließ sich seinen Plan noch einmal durch den Kopf gehen und rief beim Yard an…
***
Ein Unwetter hielt London im Griff!
Es gab nur wenige Tage, an denen ich froh war, im Büro zu sein.
Dieser gehörte dazu, denn was sich über uns am Himmel abspielte, das war der reine Horror.
Die Natur bewies den Menschen wieder mal, wozu sie fähig war, und wenn ich aus dem Fenster schaute, was Glenda Perkins und Suko auch taten, dann hatten wir den Eindruck, der normalen Welt entrissen worden zu sein.
Es tobte wirklich die Hölle!
Blitze, Donner. Die Wolken brodelten und kochten. Furchtbare Gewalten. Da schien die Hölle nach oben gestiegen zu sein, um zu beweisen, dass das Grauen überall sein konnte.
Die Bauten auf der gegenüberliegenden Straßenseite waren kaum mehr zu erkennen. Wir sahen sie immer nur dann, wenn der Wind in einer starken Bögegen den Vorhang aus Regen fuhr, ihn zerriss und den Blick dann für einen Moment freigab.
Die Blitze glichen mörderischen Speeren, die von irgendwelchen Ungeheuern über Raum und Zeit hinweg in unsere Welt geschleudert worden waren, um zu beweisen, dass sie alles unter Kontrolle hatten. Es wurde auch Zeit, dass sich die Natur entlud. In der vergangenen Nacht war die Schwüle gekommen, die sich auch am gesamten Morgen nicht verflüchtigt hatte.
Glenda, Suko und ich waren förmlich in unsere Büros geflohen, um in den Bereich der klimatisierten Räume zu gelangen, denn erst hier konnten wir richtig durchatmen.
Ich hielt ein großes Glas mit Wasser in der Hand und trank die Flüssigkeit in kleinen Schlucken. Neben mir hielt sich Glenda Perkins auf. Die Arme hatte sie vor der Brust verschränkt, die Brauen zusammengezogen und schaute hinein in die brodelnde Masse.
»Was braucht man Dämonen, wenn man das hier sieht«, kommentierte sie kopfschüttelnd, um im nächsten Moment wieder zusammenzuzucken, als nach einem sehr hellen Blitz ein erneuter Donnerschlag erfolgte, als wollte er den gesamten Yard-Bau sprengen.
»Nun ja, wir werden es überstehen.«
»Das glaube ich auch. Und was machen wir danach?«
»Wie meinst du das?«
»Ich hätte Lust auf ein Bier. Außerhalb, irgendwo an der Themse sitzen, auf den Fluss schauen und einfach nur genießen.«
Mein Lächeln wurde breit. »Keine schlechte Idee. Bis dahin werden die Tische und Stühle wieder trocken und geputzt sein.«
»Das will ich hoffen.« Glenda drehte sich zu Suko um. »Und was ist mit dir?«
»Shao und ich sind dabei.«
»Super!«
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