1470 - Der Wechselbalg
wie kommt es dann, dass noch jemand als fliegender Mensch herumläuft?«
»Das werde ich aufklären. Es muss ja nichts mit der Genfabrik des Professor Ilax zu tun haben.«
»Das denke ich auch.«
»Vielen Dank für deine Mühe, Max. Wenn sich etwas ergeben sollte, rufe ich dich an.«
»Das hoffe ich stark.«
Nach dem Gespräch schauten Glenda, Suko und ich uns an. Ich hob die Schultern und sagte: »Wir werden die Lösung nicht in der Vergangenheit der Genfabrik finden. Da sind andere Kräfte am Werk.«
»Welche, John? Hast du schon einen Verdacht?«
»Nein, Glenda, nur allgemein. Vielleicht das Phänomen der Engel? Wobei ich nicht glaube, dass dieser Seth unbedingt zu den Engeln zählt. Sie müssen ja auch keine Flügel haben. Aber das werden wir alles noch herausfinden.«
»Und dann gibt es noch die Verfolger«, gab sie zu bedenken. »Diese Gesichtslosen.«
»Ich weiß.«
»See you later, Biergarten«, sagte Glenda, und ihre Stimme klang schon ein wenig traurig.
»Wir verschieben es.«
Sie lachte mich an oder aus. »Das kenne ich. Aber Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps.«
»Du hat es mal wieder auf den Punkt getroffen, liebe Glenda…«
***
Nach dem Gespräch mit John Sinclair fiel Wayne Rooney ein Stein vom Herzen. Er hatte sich die Unterhaltung schwieriger vorgestellt.
Okay, erkannte Sinclair nicht persönlich, und schon der Spitzname Geisterjäger hatte auf ihn einen abwertenden Beigeschmack gehabt.
Aber Sinclair hatte sich sehr aufgeschlossen gezeigt, und er würde so schnell wie möglich hier bei ihm eintreffen.
Es gab noch etwas, das ihn froh machte. Seine Mutter war zum Glück weggefahren. Wie er sie kannte, würde sie auch nicht so schnell zurück sein, denn sie gehörte zu den Menschen, die sich leicht festreden konnten, wenn sie mal irgendwo waren. Ihr Seths Erscheinen zu erklären wäre ihm verdammt schwer gefallen.
Wayne dachte daran, dass er ihn recht lange in der Scheune hatten warten lassen. Er konnte nur hoffen, dass Seth diese Zeit nicht als Chance genutzt hatte, um zu fliehen. Aber wohin hätte er fliehen und wo hätte er sich verkriechen sollen? Einen derart vertrauensvollen Menschen wie Wayne Rooney würde er so schnell nicht wieder finden.
Als Rooney vor die Tür trat, hatte er das Gefühl, in einer herbstlichen Nebelküche zu stehen. Die Feuchtigkeit war so stark geworden, dass die Luft übersättigt war und dichte Schwaden bildete, die träge über dem Boden schwebten und eine Sicht über mehr als drei Yards fast so gut wie unmöglich machten.
Trotzdem schaute er sich auf dem kurzen Weg zur Scheune ein paar Mal um, weil er sichergehen wollte, dass man ihn nicht verfolgte. Er rechnete zudem mit der Möglichkeit, dass Seth die Scheune verlassen hatte und sich im Freien aufhielt.
Das traf nicht zu, was Rooney einigermaßen beruhigte. Nur kam er einfach nicht von der Frage los, woher dieses Geschöpf wohl stammte. Er konnte es drehen und wenden, er spielte mit den verschiedensten Möglichkeiten, nur eine Erklärung fiel ihm nicht ein.
Möglicherweise war das Vertrauen der fremden Gestalt zu ihm noch nicht groß genug. Wayne wusste, dass sie beide Zeit hatten, um miteinander zu reden, und so ging er davon aus, schon recht bald die Wahrheit zu erfahren.
Als Erstes fiel ihm die Stille auf, die ihn in der Scheune erwartete.
Sie war eigentlich immer vorhanden, doch nach diesem Vorfall kam sie ihm besonders tief vor. Als würde jemand im Hintergrund versteckt lauern.
Seth sah er nicht.
Er rief seinen Namen und erhielt auch Antwort aus der Höhe.
Rooney schaute hin und schüttelte den Kopf, als er die Bewegungen zwischen den dicken Dachbalken sah. Dorthin hatte sich sein Besucher verzogen, und dort hätte er auch nicht so leicht entdeckt werden können.
»Es ist alles in Ordnung!« rief Wayne hoch. »Du kannst zu mir kommen. Wir sind allein.«
Der Junge bewegte sich. Er schaute nach unten und ließ sich dann fallen. Erst fiel er wie ein Stein, dann breitete er seine Schwingen aus und sank dem Boden entgegen. Er streckte die Beine aus, fand Halt und blieb vor Rooney stehen.
»Wir sind allein!« wiederholte der.
»Ja, das ist gut.«
»Komm mit ins Haus.«
»Und dann?«
»Werde ich dich erst mal einkleiden und dir etwas zu essen geben. Danach sehen wir weiter.«
»Essen? Ich habe keinen Hunger.«
»Warte mal ab, den wirst du schon bekommen.«
Seth hob die Schultern. Eine Geste, die anzeigte, dass er sich fügen wollte.
Als Wayne Rooney die Tür öffnete, blieb
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