1473 - Sandrines Voodoo Lehre
sich die Blutlache immer mehr ausbreitete. Das Gesicht und die Kehle waren nicht mehr zu sehen, aber das Grauen blieb.
Weder Dagmar noch Harry konnten etwas tun. Sie waren geschockt.
Der Patron zuckte noch. Er bewegte seine Beine. Die Füße schlugen einen kurzen Wirbel, dann war es vorbei. Ein starrer Körper lag über dem Tisch, nicht nur starr, sondern auch tot.
Dagmar Hansen und Harry Stahl wurde es plötzlich kühl. Der kalte Hauch des Todes streifte sie. Sie brachten keinen Ton hervor, obwohl sich ihre Lippen bewegten. So blieb ihnen nichts anderes übrig, als den Kopf zu schütteln.
Dann, nach einer Zeit, die ihnen ungewöhnlich lang vorkam, erfolgte im Lokal der erste Schrei. Es war ein schriller Ruf aus dem Innern des Lokals, und er sorgte dafür, dass auch die anderen Gäste, die im Freien saßen, aus ihrer Starre erwachten. Die friedliche Stille war vorbei, das Chaos hielt Einzug, verbunden mit einer schrecklichen Angst.
Harry sah die Ehefrau des Patrons in der Tür stehen. Ihr Verzerrtes Gesicht spiegelte das Entsetzen wider, das sie beim Anblick ihres zusammengebrochenen Mannes empfinden musste.
Der Tod war plötzlich und unsichtbar erschienen, um brutal zuzuschlagen. Und er hatte keine Waffe benötigt. Der Patron war gestorben, weil es ihm die Kehle aufgerissen hatte, aus der dann der Blutstrom gedrungen war.
Dagmar und Harry wunderten sich darüber, wie ruhig es trotzdem noch war. Den anderen Gästen hatte das Entsetzen die Stimme geraubt, aber das Bild, das sie sahen, blieb.
Das hier war die Realität, und Dagmar Hansen sprach das aus, was genau passte.
»Willkommen im Leben…«
***
Eine Stunde später war alles anders geworden. Da wimmelte es von Polizei. Die Männer waren aus Nizza gekommen, zumindest die, die etwas zu sagen hatten. Flics hatten das Gelände bis zur Straße hin abgesperrt und es keinem Gast erlaubt, sich abzusetzen.
Ein Arzt kümmerte sich um Madame Garnier, der Gattin des Toten. Sie hatte einen Schock erlitten und würde ihn nicht so schnell verkraften, das wussten Dagmar und Harry.
Auch sie hatte man gebeten, zu bleiben. Allerdings saßen sie nicht mehr im Freien. Sie waren ins Restaurant gegangen und litten ein wenig unter der Wärme. Auch der Ventilator unter der Decke brachte da kaum Linderung.
Sie warteten darauf, von dem zuständigen Beamten befragt zu werden, der sich allerdings erst um die anderen Gäste kümmerte, was Dagmar und Harry nicht störte. Es machte ihnen nichts aus, als Letzte an die Reihe zu kommen.
»Das war’s dann wohl«, sagte Dagmar Hansen und schaute in ihr Glas mit Zitronenwasser.
Auch Harry hatte sich etwas zu trinken geholt. »Womit war es das?« fragte er.
»Mit unserem Urlaub.« Sie lachte und strich ein paar Haarsträhnen aus ihrer Stirn. »Ich sagte ja schon: Willkommen im Leben, und das kann ich nur unterstreichen.«
»Und jetzt?«
Dagmar hob den Blick. »Ich will mal so fragen: Sollen wir uns einmischen?«
»Ich weiß nicht.«
»Hör auf!« flüsterte sie. »Ich kenne dich gut genug, Harry. Du denkst wahrscheinlich längst darüber nach.«
»Und warum sollte ich?«
Sie ließ ihn nicht aus den Augen. »Weil Monsieur Garniers Tod verdammt ungewöhnlich gewesen ist. Blitzartig kam er. Ohne äußere Einwirkung. Es hat ihn mit der Wucht eines Hammerschlags getroffen. Genau das ist das Problem, und es könnte auch für uns eines werden.«
»Du denkst in die richtige Richtung. Urplötzlich reißt bei einem Mann die Kehle auf. Ein Blutschwall strömt hervor, und der Mann stirbt. Es ist nicht geschossen worden, es wurde auch kein Messer geschleudert. Es gab überhaupt nichts, was in seine Kehle gedrungen wäre. Und dann passiert so etwas.«
»Trotzdem muss es einen Grund geben.«
Harry nickte. »Ganz bestimmt sogar. Nur frage ich mich, ob die französischen Kollegen in der Lage sind, diesen Grund herauszufinden.«
Dagmar legte eine Hand gegen ihr rechtes Ohr. »Höre ich da etwas Bestimmtes heraus?«
»Wieso?«
Sie lächelte. »Es könnte ja sein, dass sich ein gewisser Harry Stahl um diesen Mordfall kümmern möchte.«
»Nun ja, es wäre schon interessant.«
»Wir haben Urlaub, Harry.« Dagmar betonte jedes Wort. »Einfach nur Urlaub. Und der dauert noch eine Woche.«
»Eben.«
Sie lehnte sich zurück. »Verstehe, du willst mitmischen.«
»Nein, nein.« Er strich durch sein dunkles Haar mit den grauen Strähnen. »So ist das nicht. Ich möchte mich nicht offiziell hier hineinhängen, das wäre auch nicht möglich. Aber
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