1473 - Sandrines Voodoo Lehre
Kind.
Aber mit dem Stofftier war etwas geschehen.
Sandrine hatte es mit Nadeln gespickt. Akupunktur auf eine besondere Art und Weise. Die kleinen Nadeln mit den bunten Köpfen steckten überall. Verteilt am Kopf und am Körper. Genau das hatte Pauline noch nie zuvor gesehen, und der Anblick sorgte bei ihr für erneute Verwirrung.
Am Schlimmsten aber empfand sie das Messer in Sandrines linker Hand. Sie hielt es so, dass die Spitze nach oben zeigte, und wenn sich Pauline nicht zu sehr irrte, waren sogar Blutflecken auf der Klinge zu sehen.
Und lief nicht auch Blut aus kleinen Wunden an ihren Handgelenken, die sie sich selbst zugefügt hatte?
Da war vieles, was Pauline sah, sich aber keinen Reim darauf machen konnte.
»Was ist los mit dir, Sandrine?« flüsterte sie.
»Gehweg!«
Wieder hatte sie mit einer schrecklich klingenden Stimme gesprochen. Ein tiefes Röhren aus der Kehle. Etwas, was überhaupt nicht zu ihr passte. Da drang etwas Urböses durch, was vielleicht wie kochende Lava in einem Vulkan geschlummert hatte.
»Ich kann nicht gehen! Ich muss bei dir bleiben. Ich muss – mein Gott, ich muss dich retten und…«
»Das brauchst du nicht. Ich gehe meinen Weg. Ich habe ihn endlich nach langer Suche gefunden.« Die Stimme klang böse. »Und ich weiß auch, dass du nicht auf meiner Seite stehst. Ich werde hier herrschen. Ich habe die Brücke gefunden, über die ich gehen werde.«
Mit einem harten Lachen drehte sich Sandrine um und schleuderte ihr Stofftier zur Seite. Es landete auf dem kleinen Sessel, sodass Sandrine ihre Hände endlich frei hatte, wobei sie das Messer nicht losließ.
Pauline sah alles. Sie wollte sprechen, aber sie konnte nur schlucken. Ihre Augen brannten plötzlich, als wären sie durch irgendein Gas gereizt worden.
Sie schüttelte den Kopf. Es war so etwas wie eine Geste des Abschieds. Sandrine war ihr völlig fremd geworden, und sie wollte auch nicht mehr im Zimmer bleiben.
»Mama…?«
Pauline schrak zusammen, als Sandrine sie ansprach.
»Ja, was ist?«
»Ab jetzt wird alles anders. Das solltest du wissen. Du hast mich gesehen, und so bist du nicht nur zu einer Zeugin, sondern auch zu einer Verbündeten geworden. Du musst jetzt zu mir halten, egal, was auch geschieht.«
»Warum muss ich das?«
»Weil du sonst sterben würdest!«
Pauline Perrot hatte jedes Wort verstanden. Sie wünschte sich aus der Wirklichkeit weg und hinein in einen Traum. Sie konnte es einfach nicht begreifen, dass Sandrine eine Morddrohung gegen sie ausgestoßen hatte. Das war einfach zu viel für sie, und sie merkte, dass sie Mühe hatte, sich auf den Beinen zu halten.
»Sterben?«
»Ja, du hast richtig verstanden. Du und ich, wir sind jetzt aneinander gekettet, und du kannst noch wählen, was du unternehmen willst. Entweder zu mir halten oder sterben. Aber ich denke nicht, dass du sterben möchtest – oder?«
Pauline Perrot schüttelte den Kopf. Sie musste erst nach Luft schnappen, bevor sie etwas sagen konnte.
»Wie – wie redest du denn mit mir? Was soll das bedeuten? Das kann ich nicht begreifen.«
»Ich weiß, dass es schwierig ist, aber ich habe mich nun mal für einen bestimmten Weg entschieden, und ich werde nicht mehr von ihm lassen. Es ist die Kraft der Magie, die in mir steckt. Ich habe lange gesucht, aber jetzt weiß ich, wie ich mich verhalten muss. Wir haben beide sehr gelitten, denn die Menschen hier im Ort sind immer gegen uns gewesen. Das wird nun vorbei sein, denn ich bin nun in der Lage, zurückzuschlagen. Sie haben dich ausgelacht, weil dir der Mann weggelaufen ist, und nicht nur du hast darunter gelitten, auch ich habe es bis heute nicht verkraftet. Aber das ist von nun an vorbei.«
Pauline hatte alles gehört. Sie wusste auch, dass vieles an dieser Aussage stimmte, aber eine Rache, von der Sandrine gesprochen hatte, wäre ihr nicht in den Sinn gekommen. Gemieden wurden sie von den meisten Menschen, das stimmte schon, und sie hatten beide darunter gelitten, aber nie hatte Pauline Perrot daran gedacht, sich dafür zu rächen.
»Es ist dir alles fremd, nicht wahr, Mama?«
»Ja, Sandrine, das ist es. Sehr fremd sogar.«
»Du wirst dich damit abfinden müssen.«
»Und – und wie?«
Sandrine lächelte. Es war ein kaltes Lächeln, und sie sagte mit leiser Stimme: »Voodoo, Mama! Hast du schon mal etwas von Voodoo gehört?«
»Ja, das habe ich. Dieser Zauber aus Afrika…«
»Genau der.«
»Und was hast du damit zu tun?«
Sandrine legte den Kopf leicht zurück und
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