1475 - Zombie-Katzen
mehr hier.«
»Du hast sie doch wieder in Freiheit gelassen.«
»Ja, das habe ich. Das ist auch alles okay so. Nur hätten sie längst wieder zurück sein müssen. Genau das ist es, was mich stört. Sie sind nicht zurückgekommen. Warum wohl nicht? Weil sie den Weg nicht mehr gefunden haben? Weil sie keine Traute hatten? Oder warum nicht?«
»Was weiß ich.« Otto hob die Flasche an und ließ den Gin in seine Kehle gluckern.
Beinahe hätte Irina ihm die Ginflasche aus der Hand geschlagen.
»Hör auf zu saufen, verdammt!« schrie sie ihn an. »Das bringt uns alles nicht weiter. Ich will meine Tiere zurück haben. Nicht mehr und nicht weniger. Ist das klar?«
»Ja, ich weiß. Aber wie willst du das machen? Versuchen, eine Verbindung zu ihnen aufzunehmen?«
Irina ließ sich auf einen Stuhl fallen. Trotz der vielen Locken stand ihr graues Haar vom Kopf ab. Darunter war ein rundes Gesicht zu sehen mit leichten Pausbacken. Eine knollige Nase, ein kleiner Mund, ein rundes Kinn, aber von einem harmlosen Babygesicht konnte man bei ihr nicht reden. Da hätte der Augenausdruck ein anderer sein müssen. Einfach nicht so kalt und auch nicht so böse.
»Ich habe es schon versucht.«
»Und?« Otto stellte die Flasche auf den Tisch und hielt sich an ihr fest.
»Nichts. Es kam nichts zustande. Ich musste leider passen.« Irina hob die Schultern. »Und das ist verdammt übel, kann ich dir sagen.«
»Dann weiß ich auch nicht mehr weiter.«
»Doch, das weißt du. Ich gehe davon aus, dass sie endgültig gestorben sind. Ich weiß es zwar nicht genau, aber ich spüre es. Ich habe es im Gefühl. Die anderen sind wieder da, aber die sechs fehlen, und sie sind alle zusammen ums Leben gekommen.«
»Dabei waren sie schon tot.«
»Eben.«
»Wie kann man sie dann töten?« fragte Otto leise. Sein lauernder Gesichtsausdruck deutete darauf hin, dass er gespannt eine Antwort erwartete, für die sich Irina Zeit ließ.
Sie schloss die Hände, streckte die Finger wieder, bildete danach abermals Fäuste und grübelte scharf über eine Antwort nach, die ihr aber nicht über die Zunge wollte. Sie saß da wie ein Mensch, der passen musste.
»Sie endgültig zu töten ist nicht einfach«, flüsterte sie vor sich hin.
»Wenn man auf sie schießt und die Kugel trifft, existieren sie trotzdem weiter. Wenn sie jemand mit einem Messer attackiert, passiert das Gleiche. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es jemanden gibt, der herausgefunden hat, wer sie sind, und daraus die entsprechenden Konsequenzen gezogen hat. Zudem werden sie schlau genug sein, um sich zu verdrücken. Was ist da passiert?«
Sie wusste die Antwort nicht, und auch Otto konnte ihr keinen Rat geben. Aber er machte ihr einen Vorschlag.
»Wie wäre es denn, wenn ich mich in den Wagen setze und zum Friedhof fahre? Ich kann dort und auch in der Umgebung noch mal nachschauen. Die richtige Nacht liegt erst noch vor uns.«
Irina hob den Kopf und schaute Otto an. Sie dachte über seinen Vorschlag nach.
»Das ist nicht mal schlecht.«
»Dann ziehe ich ab.«
»Ja, tu das. Aber ich würde dir vorschlagen, dass du deine Suche nicht nur auf den Tierfriedhof beschränkst. Von dort sind wir gekommen und haben keinen unserer Lieblinge entdeckt.«
»Okay, ich sehe mich auch auf dem anderen Friedhof um. Zumindest auf dem Teil, der an den Tierfriedhof grenzt.«
»Gute Idee.«
»Ich nehme das Handy mit. Sollte ich etwas entdecken, rufe ich dich sofort an.«
»Ja, tu das.«
Otto warf noch einen sehnsüchtigen Blick auf die Ginflasche. Er hätte gern noch etwas getrunken, aber schon der eine lange Schluck reichte aus, um nicht mehr richtig fahrtüchtig zu sein. Otto vertraute einfach auf sein Glück. Zudem konnte er sehr viel vertragen, und gegen die Alkoholfahne, die auch der Gin hinterließ, halfen zwei Pfefferminzbonbons.
Er ging auf den Hof, wo der Volvo parkte. Das Licht einer Laterne fiel auf das kantige Dach. Mit der Schnauze zeigte der Wagen zu den Käfigen hin, in denen sich die herrenlosen Katzen befanden, die von Irina Zadok aufgenommen worden waren.
Sie fütterte die Tiere. Sie gab ihnen so etwas wie Liebe und Geborgenheit, sodass ihre wahren Absichten verborgen blieben. Wenn jemand kam und für einen geringen Betrag eine Katze kaufte, dann riss die Verbindung zu dieser Katze niemals ab, aber das wusste der Käufer nicht.
Otto war in alles eingeweiht. Er kannte Irina schon lange. Sie hatte ihn, der deutscher Abstammung war, aus dem Balkan geholt, und dafür war ihr Otto
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