1475 - Zombie-Katzen
einen Friedhof zu streifen war nicht jedermanns Sache.
Sogar bei ihm nicht…
***
Irinas Gesicht glich einer Maske, als sie das Handy wieder weglegte.
Der Anruf hatte ihr nicht gepasst.
Es braute sich etwas zusammen. Ihr Gefühl hatte sie nicht getäuscht. Zwei Fremde, die über die Friedhofsmauer gestiegen waren, um sich in einen Wagen zu setzen und wegzufahren. Das war etwas, womit sie nicht gerechnet hatte.
Einen ursächlichen Zusammenhang konnte sie noch nicht finden, aber sie fühlte sich auch aus anderen Gründen gestört. Der Anruf hatte sie kurz vor einer wichtigen Aufgabe aus ihrer Konzentration gerissen. Es ging um die vom Friedhof geholte tote Katze.
Es war ein besonderes Zimmer, in das sich die Frau zurückgezogen hatte. Es gehörte ihr allein. Es war so etwas wie ihre kleine Heimat in diesem Haus.
Ein runder Tisch mit geschwungenen Beinen, zwei Stühle, eine helle Tischdecke, ein weicher Teppich, und hinter dem Tisch eine alte Vitrine, auf der mehrere Gegenstände standen. Dazu gehörte ein alter Spiegel ebenso wie Schalen aus Metall und zwei offene Kannen. Die Einrichtung hätte das Herz eines Antiquitätenhändlers höher schlagen lassen, denn alle Gegenstände stammten aus der Zeit des Jugendstils.
Den Mittelpunkt des Tisches bildete eine Kugel. Damit sie nicht wegrollte, hatte Irina sie auf ein zierliches Holzdreibein gestellt. Die Kugel war das Wertvollste, was sie besaß. Auf alles hätte sie bei ihrer Flucht aus dem Balkan verzichten können, nur auf diese Kugel nicht, deren Alter sie nicht kannte.
Aber sie wusste von ihren geheimnisvollen Kräften, die sich in ihr verbargen. Es waren Kräfte, die den Tod überwanden, die bewiesen, dass ein Zauber stärker sein konnte als der Tod.
Und er funktionierte.
Zumindest bei den Tieren traf dies zu. Ob es auch bei den Menschen so war, wusste Irina nicht. Sie hatte es noch nicht versucht, spielte allerdings mit dem Gedanken, es irgendwann zu tun.
Nach dem Gespräch mit Otto war es wieder still geworden. Auch die Katzen, die auf dem Boden lagen, bewegten sich nicht. Sie schienen aus Porzellan zu bestehen, so bewegungslos ruhten sie. Ob sie schliefen, war nicht zu erkennen. Zwei Tiere hatten sich dicht aneinander gekuschelt, zwei andere langen nur träge an den Seiten, und eine Katze hatte es sich auf der Vitrine bequem gemacht.
Sie alle waren Irinas Lieblinge, denn sie waren mal tot gewesen und lebten jetzt wieder.
Und es gab noch eine Katze.
Die lag tot auf dem Tisch. Zwischen dessen Rand und der Kugel hatte sie ihren Platz gefunden. Sie lag auf der Seite. Das Fell hatte Irina leicht durchgebürstet.
Irina musste ihre Konzentration wieder neu finden und sie legte beide Hände auf die Kugel, während sie selbst in tiefe Gedanken versank.
Das wenige Licht kroch mit einem fahlen Schein aus dem Hintergrund heran, verlor sich aber fast in der Nähe des Tisches. Irina wollte durch nichts abgelenkt werden.
Um den Raum zu betreten, musste man einen Vorhang zur Seite ziehen. Das hatte sie getan, sodass ihr Blick bis zu den beiden dunklen Fenstern gegenüber wandern konnte.
Doch Irina sah sie nicht. Sie war in tiefe Konzentration gefallen und hielt die Kugel weiterhin mit beiden Händen umspannt.
Die Kugel bestand aus einfachem Glas, das durch Einschlüsse im Material allerdings undurchsichtig gemacht worden war.
Die Hände der Frau bewegten sich. Zart strichen sie an den Seiten der Kugel hinab. Ihre Lippen blieben dabei fest geschlossen, aber sie zeigten schon ein dünnes Lächeln, was darauf hindeutete, dass Irina sich ihrer Sache sicher war.
Zuerst passierte nichts. Sie strich über die Kugel hinweg, sie schaute dabei auch in sie hinein, und nach wenigen Sekunden gab es die erste Reaktion.
Die stammte nicht von der Kugel, sondern von der Frau, in deren Augen es zuckte.
Da schien ein Licht zu tanzen. Ein kurzer Blitz, und auch Irinas Haltung veränderte sich. Sie setzte sich kerzengerade hin, dann drang so etwas wie ein Seufzer aus ihrem Mund, und Sekunden später sah sie, dass sich in der Kugel etwas tat.
Dort kam es zu einer Veränderung.
Die Leere war verschwunden. Von allen Seiten her zuckten Lichtblitze durch das Rund. Sie gerieten in immer schnellere Bewegungen, sie tanzten, sie zuckten, sie nahmen an Helligkeit zu, sodass sie schließlich zu einem gleißenden Licht wurden, das ohne normale Energie entstanden war. In der Kugel leuchtete es, und genau dieses Leuchten strahlte nach außen. Bleich wie der Tod breitete es sich aus,
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