1477 - Das steinerne Grauen
sich Sorgen um ihre Ziehmutter machte.
Maxine fuhr bereits auf der Straße. Die Schreie und die Hilferufe der Frau wollten ihr nicht aus dem Kopf. Sie dachte auch über den Hund, nach und wunderte sich darüber, dass dieses Tier so aggressiv war. Das Tier musste krank sein, sonst hätte es sich nicht so verhalten.
Auf ihrer Stirn lag kalter Schweiß. Ihr Herzschlag hatte sich noch immer nicht beruhigt. Ihr gesamter Kreislauf war durcheinander.
Aber sie kannte dieses Gefühl, dass etwas Unheimliches wieder einmal in ihr Leben eingriff. Da war sie eine vom Schicksal verfolgte Person. Und das praktisch seit dem Tag, an dem sie das Vogelmädchen Carlotta bei sich aufgenommen hatte.
Maxine Wells fuhr schnell. Zum Glück wohnte sie in einem ruhigen Viertel von Dundee. Da hielt sich auch der Verkehr in Grenzen.
Auch mit dem Wetter konnte sie zufrieden sein. Der Wind peitschte keine Regenschleier vor sich her. Er wehte sanft und brachte noch die Wärme eines allmählich vergehenden Sommers mit.
Manchmal jaulten die Reifen auf, wenn sie um die Kurven fuhr.
Da sie sich in der Gegend auskannte, war es ihr möglich, Abkürzungen zu nehmen, aber da waren die Straßen auch enger.
An einem kleinen Park fuhr sie vorbei. Jugendliche hatten sich dort versammelt und lümmelten auf dem Rasen herum. Sie überholte mehrere Radfahrer, sah unterschiedlich hohe Häuser an den Außenscheiben vorbeihuschen wie in einem schnell laufenden Film und wusste, dass sie noch zwei Kurven fahren musste, um ihr Ziel zu erreichen.
Maxine hatte zwar bei ihrer Abfahrt nicht auf die Uhr geschaut, aber sie wusste, dass sie ihr Ziel in Rekordzeit erreichen würde, und mehr hatte sie nicht gewollt.
Sie sah die ersten Häuser. Und weiter vorn erkannte sie bereits das Ende der Straße, die dort in einem Wendehammer auslief.
Das Licht hatte sie längst eingeschaltet, und sie sah auch ein Auto quer stehen. Um sich bemerkbar zu machen, betätigte sie die Lichthupe.
Die Häuser blieben zurück. Stattdessen wuchsen Büsche und Sträucher an den Straßenrändern. Jetzt waren es nur wenige Meter bis zum Ziel. Sie hatte sich vorgebeugt und hielt nach dem Wagen und dem Hund Ausschau, weil sie sehen wollte, ob er tatsächlich auf der Kühlerhaube hockte.
Das war nicht der Fall. Sie sah ihn auf dem Boden stehen, und das nicht weit von einem dunkelblauen Rover entfernt, der sicherlich seine zehn Jahre und mehr auf dem Buckel hatte.
Von der Frau war nichts zu sehen. Sie saß bestimmt noch im Rover. Zum Glück stieg sie nicht aus.
Maxine hatte das Tempo gedrosselt. Sie fuhr langsamer. Es bewegte sich nichts in ihrer Nähe, und sie war besonders froh, dass der Hund einen friedlichen Eindruck machte. Bei ihm stimmte nichts mit dem überein, was sie am Telefon gehört hatte, und das machte sie schon nachdenklich, sodass sie sich fragte, ob sie getäuscht worden war.
Der Hund hätte sie längst sehen und auch reagieren müssen. Er tat nichts. Er blieb auf der Stelle sitzen. Nicht mal sein Maul stand offen. Das bullige Gesicht war ebenfalls in völliger Bewegungslosigkeit erstarrt, und Maxine verspürte ein kaltes Gefühl auf ihrem Rücken, wobei sie davon ausging, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zuging.
Sie hielt an.
Auch die Frau im Rover tat nichts. Normal wäre es gewesen, wenn sie der Tierärztin zugewinkt hätte. Darauf verzichtete sie. Hinter der Frontscheibe war das Gesicht zu sehen. Allerdings mehr verschwommen als klar.
»Irgendwas ist da nicht richtig!« flüsterte die Tierärztin sich selbst zu, bevor sie den Gurt löste, danach die Wagentür aufstieß und aus ihrem Fahrzeug stieg.
Sie tat es nicht normal. Ihre Bewegungen waren abwartend. Jederzeit war sie bereit, sofort wieder zurück in den Geländewagen zu steigen, wenn etwas passierte.
Es tat sich nichts.
Der Hund blieb starr, und im Rover sah sie auch keine Bewegung.
Es war schon mehr als seltsam, dass sich die Frau nicht rührte, aber es war Maxine in diesem Fall egal. Sie war den Weg nun mal gefahren, und sie würde nicht umkehren, ohne etwas herausgefunden zu haben.
Sie drückte die Autotür zu. Langsam trat sie von ihrem Wagen weg. Dabei schaute sie sich um, weil sie sehen wollte, ob im nahen Gestrüpp oder im Niederwald noch jemand auf sie lauerte und nur auf einen günstigen Zeitpunkt wartete.
Zwielicht, Schatten zwischen Unterholz und Büschen machten es ihr unmöglich, in den recht lichten Wald hinein zu schauen. Es war zudem nichts Verdächtiges zu hören. Kein Keuchen,
Weitere Kostenlose Bücher