1481 - Wenn alte Leichen lächeln ...
gegangen, den Menschen schon immer eingeschlagen haben. Im Mittelalter ebenso wie in der Renaissance. In dieser Welt suchte man nach Erneuerung und nach Erkenntnissen, die weit über das normale Denken und Aufnahmevermögen der Menschen hinausgingen. Und ich habe einen Weg gefunden.«
»Heißt der Gale Hanson?«
»Ja.«
»Wieso? Wer ist sie?«
»Ein Mensch und ein Geschöpf, das die Hölle auf die Erde geschickt hat.« Ellen fing an zu lachen. »Es ist unglaublich, aber wahr. Ich habe herausgefunden, dass das Böse nicht untätig ist und auf der ganzen Welt seine Diener hat. Das war früher so, das ist auch bis heute so geblieben. Die Hölle hat ihre Ableger geschickt und diese in den menschlichen Kreislauf integriert.«
»Wie Gale also?«
»Sicher.«
»Und was hat sie getan?«
»Nicht viel. Sie war eine Mörderin, würde man sagen. Sie hat zahlreiche Menschen auf dem Gewissen, aber man hat sie nicht gefasst. Immer dann, wenn es kritisch wurde, hat sie sich zurückgezogen, und das ist ihr recht leicht gefallen.«
»Wieso?«
»Als lebende Person hat sie sich schnell das Vertrauen der Menschen erschleichen können. Genau das war der große Sinn unseres Plans. Dem Teufel Seelen zu geben und dafür zu sorgen, dass er zufrieden war. Wie seit alters her.«
»Und wie hat sie das geschafft, ohne aufzufallen?« flüsterte Glenda.
»Indem sie einen bestimmten Weg ging. Gale wusste genau, wie man Menschen am leichtesten töten konnte, ohne aufzufallen. Sie arbeitete in Alten- und Seniorenheimen. Dort herrscht immer Personalmangel. Besonders in den ländlichen Gebieten.«
»Und da hat sie dann gemordet?«
»Ja, alte Frauen und Männer, die angeblich an Herzinfarkten gestorben sind. Tatsächlich aber wurden sie von Gale Hanson erstickt, und niemand ist auf die Idee gekommen, Nachforschungen anzustellen. Außerdem war sie raffiniert, denn sie wusste selbst, wann sie Schluss machen musste. Sie übertrieb nie etwas. Sie ließ nie zu viele Tote in einem Heim zurück. Mal drei, mal vier, dann kündigte sie und nahm den nächsten Job in einem anderen Heim an.«
»Dann ist sie wohl sehr viel herumgekommen«, stellte Glenda sarkastisch fest.
»Oh, das kannst du laut sagen. Ja, sie kam viel herum, und dar über ist sie auch froh gewesen. Besonders stolz war sie darauf, dass der Teufel ihre Opfer annahm. Wer immer er auch ist, wie immer sich das Böse auch zeigt, es hat Gale Hanson nicht vergessen, auch als sie starb, denn bis dahin war sie immer noch ein Mensch.«
»Und wie kam sie ums Leben?«
»Durch einen völlig banalen Unfall.«
»Ach.«
»Du hast richtig gehört, Glenda. Sie kam durch einen Unfall ums Leben, und ich trug daran die Schuld. Es passierte in der Nacht. Ich war mit meinem Wagen unterwegs und fuhr durch eine einsame Gegend, weil ich eine Abkürzung gewählt habe. Das hat auch sie getan auf ihrem Fahrrad. Nur fuhr sie ohne Licht, und kurz vor einer Kreuzung erwischte ich sie. Noch heute sehe ich mich vor ihr in diesem Graben knien, in den sie die Wucht des Aufpralls hineingeschleudert hatte. Sie lag da, aber sie war nicht tot. Nur wussten wir beide, dass sie sterben würde, und ich fühlte mich verdammt mies. Ich wollte die Rettung alarmieren, aber dagegen hatte Gale etwas. Ihr war klar, dass sie den Tod vor Augen hatte, aber sie besaß noch so viel Kraft, um mir von ihrem Leben zu berichten. Und ich habe verdammt gut zugehört, das kannst du mir glauben, Glenda. So nahm sie mir das Versprechen ab, für sie zu sorgen. Ich war ihr etwas schuldig, und ich habe gern zugestimmt. Ich war davon überzeugt, dass sie recht hatte, und genau das ist eingetreten. Sie konnte sich auf den Teufel verlassen, der ihr versprochen hatte, den Tod zu überwinden. Es ist passiert. Sie wurde begraben, und ich habe mein Versprechen gehalten. Ich bin nach einer gewissen Zeitspanne zu ihrem Grab gegangen und habe ihr die Chance gegeben, sich zu befreien. Jetzt kennst du die ganze Geschichte.«
Glenda kannte sie nun, das war wohl wahr. Aber es gab einen Bruch darin, und da wollte sie Gewissheit haben.
»Hat sie wirklich immer nur als Altenpflegerin gearbeitet?«
»Nein.«
»Das dachte ich mir.«
»Der Boden oder der Beruf wurde ihr zu heiß. Da hat sie sich als Therapeutin versucht.«
»Ohne Ausbildung?«
»Wie dem auch sei, Glenda, es hat geklappt. Als sie starb, da war sie Therapeutin, und sie hat viel Wissen an mich weitergegeben. So kenne ich die Namen der vor allen Dingen jungen Leute, und sie einzufangen und für
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