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1482 - Clarissas Sündenfall

1482 - Clarissas Sündenfall

Titel: 1482 - Clarissas Sündenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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tun?«
    Clarissa schwieg.
    »Würden Sie jetzt und hier für mich den Engel spielen? Es ist doch alles so leicht. Sie brauchen nur ein Kissen zu nehmen, verstehen Sie? Nur ein Kissen. Ich bitte Sie darum…«
    Clarissa überlegte. Dabei drehte sie sich zur Seite. Neben dem Fenster stand ein alter Sessel. Auf dem Polster lag ein schweres Kissen mit einem Samtbezug.
    Es ist wirklich einfach!, dachte Clarissa. Ganz leicht. Und wenn die Frau es will, dann sollte man sie erlösen, dann sollte man wirklich bei ihr den Engel spielen.
    Sie wusste nicht, dass sie zwei Schritte gegangen war. Vor dem Sessel fand sie sich wieder und starrte das dunkle Kissen an. Alles andere folgte irgendwie automatisch. Sie nahm das Kissen hoch und wunderte sich, wie schwer es in ihren Händen lag.
    Sie drehte sich um und ging zum Bett zurück. Mrs. Cunningham lag noch immer so auf der Seite, dass sie Clarissa anschauen konnte.
    »Ja«, flüsterte sie schwach. »Ja, meine Liebe, so habe ich es gemeint. Du bist der Engel, der mich in ein anderes Reich führen wird, wo es keine Schmerzen mehr gibt…«
    »Ja«, wiederholte Clarissa, »ich bin der Engel, ich verspreche es.«
    Fast sanft drückte sie das Kissen auf das Gesicht der alten Frau.
    Und auch später benötigte sie keinen großen Druck. Sie wartete nur ab und stand da wie zu Eis geworden.
    Irgendwann hob sie das Kissen wieder an. Die alte Mrs. Cunningham lag noch immer in ihrer Position. Ihr Gesicht mit dem offenen Mund zeigte einen eingefrorenen Ausdruck. Sie sah aus wie jemand, der beim letzten Atemzug gestorben war.
    Clarissa wollte auf Nummer Sicher gehen. Aus ihrer Tasche holte sie einen kleinen Spiegel und hielt ihn vor die Lippen der alten Frau.
    Nichts beschlug die Oberfläche. Der Spiegel blieb glatt. Ohne einen Dunstschleier.
    Mrs. Cunningham lebte nicht mehr. Die Tat hatte bei ihr keine Spuren hinterlassen.
    Clarissa ging zum Sessel und legt das Kissen wieder in seine Lage zurück. Danach verließ sie das Zimmer, und auf ihren Lippen lag ein zufriedenes Lächeln…
    ***
    Die Nonne schreckte hoch.
    Da war er wieder gewesen, dieser verfluchte Wahrtraum. Obwohl sie sich darauf vorbereitet hatte, weil er oft wiederkehrte, konnte sie sich damit nicht abfinden. Noch im wachen Zustand sah sie das Gesicht der alten Frau vor sich, und das wollte auch nicht so schnell wieder verschwinden.
    Clarissa setzte sich hin. Wie immer nach diesem Traum war sie schweißnass. Er hatte sie wahnsinnig stark mitgenommen. Die erlebte Realität kehrte immer wieder zurück, und sie wusste auch, dass dies nicht der einzige Traum war, der sie quälte.
    Es gab noch andere.
    Immer wieder stand sie darin im Mittelpunkt. Denn sie war der Todesengel. Nur sie allein, keiner sonst.
    Die Nonne schlug die Hände vor ihr Gesicht. Sie blieb so sitzen und schüttelte einige Male den Kopf, aber die Bilder verschwanden nicht. Sie würden erst ausradiert werden, wenn sie das getan hatte, was sie tun musste.
    Nach einer Weile legte sie sich wieder zurück. Sie wusste genau, dass die Nacht noch nicht ihr Ende gefunden hatte. Es würde, so weitergehen, man würde sie nicht tief und fest schlafen lassen. Es gab die anderen Kräfte, die dagegen standen.
    Ihr Kopf drückte das Kissen ein, und wieder lag sie in der gleichen Position und starrte gegen die Decke, wobei sie genau wusste, dass sie nicht einschlafen würde, denn sie würde Besuch bekommen.
    Oder war er schon da?
    Der Gedanke daran bereitete ihr Unbehagen. Ihr Herz schlug wieder schneller, und jeden Schlag erlebte sie als hartes Klopfen.
    Mit weit geöffneten Augen schaute sie zur Zimmerdecke. Sie dachte daran, dass es dort beginnen würde, denn so hatte es immer angefangen.
    Und nun?
    Den Traum hatte sie noch nicht ganz verdaut. Das war nichts Neues. Er wirkte noch über eine gewisse Zeit nach, nahm jedoch immer mehr ab, bis er schließlich verblasst war.
    Und so wartete sie weiter. Der Gedanke, dass nichts passieren würde, kam ihr erst gar nicht. Es war immer so gewesen, und so würde es auch weiterhin bleiben.
    Mrs. Cunningham war die Erste gewesen. Innerlich lachte sie auf.
    Auch jetzt wunderte sie sich darüber, wie einfach es gewesen war, die Frau ins Jenseits zu befördern. Einfach nur das Kissen lange genug auf dem Gesicht liegen lassen.
    Bei Mrs. Cunningham war es nicht geblieben. Es gab so viele Heime und auch so viele alte Menschen, die am Leben gelassen wurden, obwohl sie lieber tot gewesen wären.
    Und so war der Engel öfter zum Todesengel geworden.

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