1488 - Schamanen-Zauber
die hektischen Atemgeräusche waren so etwas wie eine Begleitmusik.
Er schaute nach vorn.
Da war die Tür.
Aber da war auch die Schlange. Er hätte über sie hinweg springen können, um auf die Tür zuzulaufen, doch er hatte auch gesehen, wie schnell das Tier reagierte. Da war es besser, wenn er sich zurückhielt und abwartete.
Würde Sinclair rechtzeitig erscheinen? Sollte das tatsächlich geschehen, dann war sein Standort hier günstig. Vom Schreibtisch aus war es ihm möglich, die Tür zu öffnen.
Er schaute nach unten und suchte die Schlange.
Es gab sie nicht mehr.
Fast hätte Carlo gelacht, aber zwei Sekunden später tauchte sie an der anderen Seite des Schreibtischs wieder auf, und sie war schon dabei, sich in die Höhe zu drücken. Augenblicklich erfasste ihn wieder die blanke Angst. Es war für das Tier kein Problem, die Schreibtischplatte zu erreichen. Und dann lagen alle Chancen bei ihr.
Er wich zur Seite. Der Computer stoppte ihn. Er kam nicht mehr weiter. Sein Blut schien zu Eis zu werden, als er den Schlangenkopf über den Rand hinwegschauen sah. Wieder zuckte die Zunge aus dem Maul und zurück. Er sah die Augen ohne Pupillen. Für ihn schimmerte in ihnen der Glanz des Todes.
Der nächste Schreck fuhr ihm durch den Körper, als sich das Telefon meldete. Im ersten Moment wusste er nicht, was das bedeutete, bis ihm John Sinclair einfiel.
Er war da! Das musste er sein! Wenn nicht, dann würde er verrückt werden.
Amado bückte sich gedankenschnell und riss den Hörer an sich.
Er presste ihn gegen sein Ohr und flüsterte seinen Namen.
»Hier ist jemand, der Sie besuchen will«, hörte er die Stimme des Mannes vom Sicherheitsdienst. »Ein gewisser…«
»Schicken Sie ihn hoch!« schrie er in den Hörer. »Bitte sofort und so schnell wie möglich.«
»Gut, wie Sie wünschen.«
Amado warf den Hörer wieder zurück, richtete sich auf und sah mit Entsetzen, dass die Schlange dem Spiel ein Ende bereiten wollte.
Sie schob sich über den Rand der Schreibtischplatte hinweg, senkte ihren Kopf und bewegte sich dann auf den entsetzen Carlo zu.
Sinclair war auf dem Weg zu ihm, und er stand hier auf dem Schreibtisch. Wer würde schneller sein?
Carlo konnte nur beten und sprang vom Schreibtisch…
***
Der Wachmann grinste mich an wie Arnie Schwarzenegger in seinen besten Kampfzeiten. Er hatte mit Carlo Amado gesprochen und den Hörer wieder aufgelegt.
»Sie können hoch. Nehmen Sie den Lift.«
»Danke.«
Obwohl ich meinen Ausweis gezeigt hatte, musste ich angemeldet werden.
Die Sicherheitsbestimmungen waren hier besonders groß, und das aus guten Gründen. Gewisse Orte in London waren besonders gefährdet und galten als Topziele für terroristische Anschläge.
Ich schritt auf den Lift zu und sah im Hintergrund der Halle noch einen zweiten Aufpasser stehen. Auch er sah aus wie eine Reklamefigur für eine Muskelbude.
Ich ließ mich die kurze Strecke in der edlen Kabine nach oben fahren. Überhaupt war in diesem Bau alles edel und entsprechend teuer.
Ich konnte es Carlo Amado nachfühlen, dass er sich in seiner Lage nicht eben wohl fühlte. Allein mit einer toten Sekretärin zu sein war nicht jedermanns Sache, aber da musste er eben durch.
Eines allerdings beunruhigte mich schon. Ich hatte zwar nicht verstanden, was der Security-Mann mit ihm gesprochen hatte, aber die Stimme aus dem Hörer war sehr laut und schrill gewesen, sodass ich sie gehört hatte.
Steckte Amado in echten Schwierigkeiten, oder fürchtete er sich nur davor, mit einer Toten allein zu sein?
Was immer auch passiert war, ich würde es erfahren, wenn ich ihm gegenüberstand.
Da ich nicht genau wusste, wo das Büro des Mannes zu finden war, musste ich noch ein wenig suchen. In der Stille des Flurs waren nur meine eigenen Schritte zur hören, die vor einer Tür verstummten, die zum Sekretariat führte.
Ich dachte sofort an die Tote und daran, dass sich Amado bei ihr aufhielt.
Die Tür war nicht verschlossen. Ich trat ein und sah mit einem Blick, dass Amado mir kein Märchen erzählt hatte, denn die tote Frau mit den rotblonden Haaren saß leblos auf ihrem Stuhl.
Wo steckte Amado?
»Sinclair…«
Es war mehr ein Krächzen als ein Ruf. Und er war nicht hier im Vorzimmer aufgeklungen. Ich drehte den Kopf nach links und sah die offene Tür, hörte auch die leisen Hilfeschreie, lief hin, und hatte kaum die Schwelle erreicht, als ich wie angewurzelt stehen blieb.
Es war verrückt, aber ich erlebte keinen Albtraum. Ich sah Carlo
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