149 - Piraten der Finsternis
erzählte er Roquette, bis zum letzten schönen Tag im Großraum Mittelmeer zu bleiben, und hoffte, daß er erst Mitte oder Ende Oktober ins kalte Kanada zurück mußte.
„Und Ihre NEFERTITI kommt auf demselben Weg zurück, wie sie herkam?"
„So ist es geplant", bestätigte Torben.
Die Küche des „Fischers" war ausgezeichnet. Der Nachtisch hatte das Essen auf schönste Weise abgerundet. Jetzt bestellte Torben zwei große Grappa.
„Sie wissen alles von mir", beklagte er sich. „Aber ich kenne Sie nur als mopedfahrende Einsiedlerin."
„Ich recherchiere", sagte Roquette.
„Über Korsika?"
„Über bestimmte Aspekte in der Vorgeschichte und der Vergangenheit der Insel. Und zwar der eingebildete oder wirkliche Glaube an Dämonen und Vampire."
„Gibt es so etwas? Ich meine, waren die Korsen davon überzeugt, daß es beispielsweise Vampire gab?"
„Einige sind davon überzeugt, daß es sie noch heute gibt. Oder genauer: daß es sie wieder gibt. Ob Sie's glauben oder den Kopf schütteln - ich habe Anzeichen gefunden, daß Dinge in unserer unmittelbaren Umgebung existieren, die sich rational nicht erklären lassen."
Torben sah nicht nur gut aus, sondern hatte auch vorzügliche Manieren. Seine Art war ein wenig altmodisch, aber nett.
„Letzten Endes, wenn man genügend Informationen hat, läßt sich alles erklären", widersprach Torben. „Natürlich kann nicht jeder alles erklären."
„Soll ich versuchen, Sie vom Gegenteil zu überzeugen?"
„Es wird Ihnen schwerfallen. Wenigstens etwas, das Ihnen nicht leicht fällt", grinste er. „Auf gutes Leben."
Eau de vie, Lebenswasser, nannten die Franzosen jene Getränke, von denen der Tresterschnaps Grappa nur einer war.
„Auf unser gutes Leben", erwiderte sie und hob das Glas. „Sind Sie zufrieden, Torben, wenn ich Ihnen kurz vor Sonnenaufgang ein Dämonenschiff zeige?"
Auch diese Frage beziehungsweise dieses Vorhaben hatte sich Roquette genau überlegt. Seit sie Torben das erstemal gesehen hatte, dachte sie an eine mögliche Verbindung Jacht und Schwarzes Schiff. Der Versuch war ebenso riskant wie die Teilnahme Oliver Brunners am Kampf um den Calanche-Turm. Aber auch Dorian Hunter würde, um die Dämonenpiraten angreifen zu können, ein schnelles, sicheres Boot brauchen.
Daran, daß die Polizei und die Küstensicherung etwas Sinnvolles unternehmen konnten, glaubte Roquette nicht. Dazu reichten Kenntnisse und Phantasie der Beamten nicht aus.
Torben war halb verblüfft und halb ungläubig.
„Das kann nicht Ihr Ernst sein, Roquette?"
„Es ist mir ernst", entgegnete sie. „Ich kann es nicht erklären. Aber ich kann es Ihnen zeigen, Torben."
Er war ein Mann schneller Entschlüsse. Überdies hatte er Zeit, finanzielle Unabhängigkeit und genügend großen Hang zum Abenteuer. Es fiel ihm also nicht schwer.
„Wo und wie? Und wann?"
„Auf der NEFERTITI, morgen vor Sonnenaufgang, vor der Morgendämmerung."
Er runzelte die Stirn und drehte langsam das halbvolle Glas.
„Ich sage nichts mehr", erklärte Roquette und lächelte beruhigend. Auf die Wirkung ihres Lächelns konnte sie sich verlassen. Außerdem lächelte sie gern, noch immer, trotz ihrer Ängste und Befürchtungen. „Zeigen kann ich es, Sie können es miterleben, und dann sagen Sie mir, was Sie davon halten. Einverstanden?"
„Einverstanden. Wohin fahren wir?"
„Nahe Porto Tizzano und Baie di Figari. Ich kenne den Platz genau. Natürlich haben Sie eine detaillierte Seekarte."
„Selbstverständlich. Den Aperitif haben wir bei Ihnen eingenommen, und zu einem Schlummertrunk lade ich Sie aufs Boot ein. Bekomme ich wieder eine Absage?"
„Heute nicht. Aber unser Schlummer, denke ich, wird ein unsanftes Ende haben."
„Können Sie sich an Bord einigermaßen hilfreich bewegen?"
„Ausreichend. Ich brauche nur klare Kommandos."
„Die werden Sie bekommen. Und auch einen Pullover für die öltriefende Bordarbeit."
„Dafür wäre ich dankbar", meinte sie.
Sie tranken in Ruhe aus, sprachen über andere Themen, erzählten aus ihrem Leben und verließen schließlich das kleine, gemütliche Restaurant, das sich auf Stelzen über einem Teil des Fischerhafens erhob. Roquette hängte sich bei Torben ein.
Die NEFERTITI entpuppte sich, wie es Roquette zutreffend vermutet hatte, als hochmodernes, sehr gepflegtes Boot mit allen denkbaren Einrichtungen. Ein mittelgroßes Schlauchboot mit 40-PS- Außenborder hing in den Leichtmetalldavits.
„Fast zu schön", bemerkte Roquette und sah sich in der
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