149 - Piraten der Finsternis
wilden Garten, in dem Insekten summten, zahllose Falter flatterten und winzige, grüne Eidechsen vor ihr flüchteten, kam sie wieder zum Haus zurück.
„Ich habe das Schiff gesehen", sagte sie.
„Was wirst du tun?"
„Ich werde einen Freund holen. Ihm verdanke ich mein Leben. Er wird wissen, wie die Dämonen zu vernichten sind."
„Und du?"
„Ich werde ihm helfen."
Jeannot d'Arc zog sie ins Halbdunkel seiner Behausung hinein. Stolz zeigte er auf seine Ausstattung. Alles war sehr einfach und sehr sauber; und Roquette konnte sich vorstellen, wie gemütlich und auch wohligschauerlich es sein mochte, in den heulenden Winternächten hier zu sitzen, auf das Brausen des Kaminfeuers und die Erzählungen des Alten zu lauschen. Er drückte ihr eine Batterie in die Hand und bat: „Bringe mir drei davon mit. Oder besser sechs. Die sind schon schwach, und ich habe mich an die Musik gewöhnt."
„In den nächsten Tagen, Jeannot", versprach sie. „Ich danke dir. Ich komme wieder."
„Das weiß ich. Dein Leben wird weitergehen, wenn die Dämonen tot sind. Ich sehe, wie du leidest." „Du siehst zuviel, Jeannot", sagte sie mit mühsam erzwungenem Lächeln. „Ich hoffe, die Dämonen wissen nichts von dir, und davon, daß du sie verraten hast."
Er schüttelte den Kopf und erklärte lakonisch: „In meinem Alter, Kleines, ist der Tod ein guter Freund. Sie können mich nur einmal töten."
„Täusche dich nicht", antwortete Roquette und schwang sich in den Sattel des Motorinos. „Sie können noch viel schlimmere Dinge tun."
„Nicht mit mir", versicherte er lächelnd, „und mit dir auch nicht."
Roquette hob die Schultern und schaltete die Zündung ein. Knatternd begann der Motor zu arbeiten. Sie war verwirrt, aber auch ein wenig sicherer geworden.
Jeannot d'Arc; daß es solche Menschen noch gab, war fast ein Wunder. Möge es sich hilfreich auswirken! dachte sie inbrünstig, während sie versuchte, nicht zu schnell in die gefährlichen Kurven hineinzufahren.
Sie schaute auf die Uhr.
Es blieb noch Zeit, nach Propriano zum Einkaufen zu fahren und im letzten Sonnenlicht das eigene Häuschen zu erreichen.
Schließlich kam sie aus dem kleinen Geschäft, in dem sie Zeitungen und die Batterien für Jeannot gekauft hatte. Die beiden Tragetaschen über dem Hinterrad waren prall gefüllt. Roquette verstaute die Einkäufe mit einiger Mühe. Als sie sich aufrichtete und ihr langes Bein über den Sattel schwang, sagte neben ihrer linken Schulter eine vertraut klingende Stimme: „Die Einladung gilt noch immer, Madame."
Sie drehte sich herum und schaute direkt in die grauen Augen von Torben Capeder, dem Frankodanadier.
„Hallo", sagte sie überrascht. „Ich weiß. Wenn Sie mir erklären, wie ich das Zeug hier unterstellen und anschließend ohne Unfall dort hinauf ins Gebirge kommen soll, bin ich mit von der Partie." „Das Moped kann beim Hafenkapitän eingeschlossen werden. Und selbst in Propi gibt's ein Taxi." „Machen wir's anders", schlug sie vor. „Sie holen mich ab, ja?"
„Aus dem Gebirge?"
„Dieser eine Taxifahrer kennt bestimmt das Haus der Familie Cossu. Es heißt Le Ghisoni. Am Ende der R.N. Hundertsechsundneunzig, dann links den Sandweg. Ich lasse Lichter brennen."
Torben hatte die Sonnenbrille in die Stirn geschoben und wiegte nachdenklich den Kopf. Er nickte und blickte auf die Uhr.
„Eineinhalb Stunden, ja?"
„Ungefähr. Aperitif bei mir."
„Mit dem größten Vergnügen, Roquette."
Sie lächelte ihn strahlend an und sagte sich, daß sich ihre Sorgen zwar nicht verringerten, aber daß sie jede Ablenkung gebrauchen konnte. Torben war in dieser Hinsicht eine der besten Ablenkungen, die sie sich vorstellen konnte. Sie drehte den Zündschlüssel und fuhr durch den einsetzenden Fußgängerverkehr die gerade Hafenstraße entlang.
Sie hob vor dem Spiegel die Champagnerschale mit dem leicht ramponierten Fuß, lächelte sich zu und sagte laut: „Man muß mit allem rechnen, Roquette Boussague. Auch damit, dass ich in einem Monat so alt aussehe, daß mich nur noch Rentner ansehen."
Aber jetzt sah sie gut aus. Sie hielt ihrer eigenen kritischen Überprüfung stand.
Sie trug ein kurzärmeliges, ausgeschnittenes Kleid aus weißem Leinen, ihren schönsten Silberschmuck, hohe Schuhe und eine dreieckige Stola aus grober Stickerei auf weißem Wollstoff. Ihre glatte, tief braune Haut bildete einen unübersehbaren Gegensatz. Ihr Haar war knapp nackenlang und glatt an das knapp geschminkte Gesicht frisiert. Um
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