1490 - Das Rätsel der Leichenvögel
wird.«
»Ein Dämon?«
»Ja.«
»Aber das kann ich nicht glauben. Das ist unmöglich. So etwas gibt es nicht, verdammt.«
Seine Partnerin widersprach ihm. »Aber wir haben es doch selbst gesehen«, flüsterte sie. »Denk an das Gesicht!«
»Ich kann mir noch immer nicht vorstellen, dass es real gewesen ist.«
»Doch, doch…«
Elliot Wells zog sich einen schmalen Stuhl heran und ließ sich darauf nieder. Als er seinen Atem ausstieß, hörte es sich wie ein Pfeifen an. »Was kann man denn tun?« fragte er.
»Sie beide nichts.«
»Ach, das ist kaum ein Trost. Ich brauche nur an die Vögel zu denken, die sich in der Nähe versteckt halten.«
»Hier im Haus sind Sie relativ sicher. Es sei denn, die Tiere starten einen gemeinsamen Angriff, fliegen gegen die Fensterscheiben und hacken sie in Stücke.«
»Und was haben Sie vor, Mr. Sinclair?«
»Es gibt nur eine Möglichkeit«, sagte ich. »Ich muss mich Mandragoro stellen. Das heißt, ich muss hinein in den Wald und dem Friedhof einen Besuch abstatten. Das sehe ich als die einzige Lösung an. Ich glaube nicht, dass es eine Alternative dazu gibt.«
Nach meiner Erklärung herrschte zunächst das große Schweigen.
Möglicherweise war das Paar sogar entsetzt darüber. Die beiden schluckten und waren nicht in der Lage, auch nur ein Wort zu sagen. Aber sie tauschten ängstliche Blicke, bis Simone Radmann flüsterte: »Aber das ist lebensgefährlich, Mr. Sinclair.«
»Ich weiß.«
»Die Vögel werden Sie töten.«
»Sie werden es vielleicht versuchen, aber ich habe einen Vorteil, wenn ich allein bis zu diesem Wald fahre. Ich glaube nicht, dass alle Vögel die Verfolgung aufnehmen werden. Einige werden bestimmt hier bei Ihnen bleiben und darauf achten, dass Sie nicht fliehen. Sie sind für sie sehr wichtig, weil Sie Zeugen sind und man Sie nicht so leicht entkommen lassen will.«
»Und der Dämon?« fuhr mich Elliot Wells an. »Wird er Sie nicht vernichten?«
»Das glaube ich nicht.«
»Warum nicht?«
Ich wartete mit meiner Antwort und wollte, dass sich die beiden Menschen erst einmal beruhigten.
»Es ist so«, sagte ich dann, »Mandragoro kennt mich, und ich kenne ihn. Ich kann Ihnen sagen, dass wir ein besonderes Verhältnis zueinander haben.«
»Dann sind Sie nicht verfeindet?« fragte Simone.
»Doch. Aber wir respektieren uns. Mandragoro weiß, dass ich die Zerstörer der Umwelt ebenfalls bekämpfe, wo ich kann. Nur eben mit anderen Methoden als er. Ich hinterlasse keine Toten. Ich bin nicht so brutal.«
»Ach. Und Sie meinen, er stellt sich auf Ihre Seite und tut, was Sie sagen?«
»Das werde ich herausfinden.«
»Dann laufen Sie in Ihren Tod!« erklärte der Gärtner.
»Das ist mein Risiko. Nur glaube ich, dass es eher nicht passieren wird.«
Eliot Wells war nicht überzeugt. Deshalb wandte er sich an meinen Freund Bill. »Können Sie denn nichts tun? Wollen Sie ihn denn nicht zurückhalten?«
Bill lächelte nach dieser Frage kantig. Er bemerkte bei Elliot Wells die Erregung und schüttelte den Kopf. »Nein, das kann ich nicht. Ich würde es auch nicht tun, denn John Sinclair hat die einzige Lösung vorgeschlagen, die es gibt. Abgesehen davon kenne ich ihn seit Jahren und weiß, zu was er fähig ist.«
Wells war noch nicht zufrieden. »Als normaler Polizist?«
»So normal ist er gar nicht. Aber das zu erklären würde zu lange dauern.« Bill wandte sich an mich. »Wann willst du los?«
»So rasch wie möglich. Der Schlüssel steckt noch, die Wagentüren sind offen. Ich steige ein und fahre los. Der Wald ist ja nicht zu übersehen. Außerdem will ich nicht im Dunkeln herumlaufen. Für dich ist es besser, wenn du hier bei den beiden bleibst. Sollten die Vögel trotzdem angreifen, dann seid ihr wenigstens zu dritt.«
Bill knirschte mit den Zähnen, mir reichte das als Antwort. Ich wusste, wie ungern er zurückblieb, aber ändern konnte ich daran auch nichts. Ich hoffte nur, dass wir alle später als Sieger dastanden.
»Dann mach es mal gut, John«, sagte er, »und grüß Mandragoro von mir.«
»Wenn ich kann, schon.«
Es waren meine letzten Worte, bevor ich mich umdrehte und auf die Haustür zuschritt…
***
Ich hatte schon ein etwas unsicheres Gefühl, als ich das Haus verließ. Ich hatte mir zuvor das Kreuz offen vor die Brust gehängt und hoffte auf dessen Schutz.
Erwärmt hatte es sich nicht. Das war zu fühlen, als ich mit den Fingern darüber hinweg strich. Also herrschte im Moment keine Gefahr. Natürlich schaute ich nicht nur
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