1490 - Endstation Sol
der Straßen war?
Je länger Daarshol über diese Fragen nachdachte, desto haarsträubendere mögliche Antworten drängten sich ihm auf.
Er hatte es sich in letzter Zeit angewöhnt, sein syntronisches Bewußtsein völlig abzuschalten, denn er fand, daß er ohne dieses viel kfeativer denken, sich sein Geist freier entfalten konnte. Ohne sein Syntron-Bewußtsein war er keinen psychischen Restriktionen unterworfen, war er praktisch frei von Hemmungen.
Aber das brachte auch Nachteile mit sich.
So plagten ihn plötzlich ganz seltsame Träume, die immer in andere Bilder verpackt waren, deren Inhalt aber die stets gleiche Aussage hatte und sich auf einen Nenner bringen ließ: ALLE WEGE FÜHREN NACH SOL!
Diese Aussage war unendlich zu assoziieren. Sie vermittelte ihm, unter anderem, die Vorstellung, daß die Terraner in Wahrheit die Beherrscher der Milchstraße waren. Dies wiederum implizierte in weiterer Folge, daß sorhit auch die Cantaro, Daarshols Volk, nur Sklaven der Terraner waren und das Supremkommando, von Cantaro nur scheinbar geführt, ihr ausführendes Organ.
Und da dieser Gedanke unangenehm war, ging er wieder immer öfter dazu über, das hemmende Modul zu aktivieren, um sich ungestörte Ruheperioden, frei von assoziationsträchtigen Gedankenbildern, zu verschaffen.
Und Daarshol beschloß, wieder den Kontakt zu Cemaach zu suchen, um ihm seine Befürchtungen darzulegen und die Meinung eines weiseren Supremators einzuholen.
*
Die Sitzung im großen Ratssaal erschien Daarshol wie eine Farce. Er konnte ihr Ende kaum erwarten.
Da hielten Suprematoren wie Vrochnash, Cooram und Achmran große Reden über Maßnahmen gegen die Widder und zum Schutz der verschiedenen galaktischen Kulturkreise und machten Vorschläge für eine effektivere Machtentfaltung der Cantaro - und dabei war alles nur leeres Geschwätz. Ohne die Zustimmung der Herren der Straßen ging gar nichts.
Die Konferenz des Supremkommandos glich der Aufführung eines Marionettentheaters! Jeden Tag eine neue Inszenierung mit anderen und willkürlich austauschbaren Darstellern!
Daarshol war froh, nur zum Team der Protokollführung zu gehören. Denn hätte er etwas zu sagen gehabt, er hätte seine Meinung nicht für sich behalten können. Und das wäre das Ende seiner Laufbahn als Supremator gewesen.
In seinem Schlußwort versicherte Achmran noch einmal mit donnernder Stimme, daß das Supremkommando alles in seiner Macht Stehende tun werde, die Mauern um die Müchstraße gegen alle Anstürme von innen - und auch von außen - zu schützen. Daarshol fragte sich, ob dieses Versprechen an sein eigenes Volk gerichtet war, oder ob er sich damit bei den Herren der Straßen einschmeicheln wollte.
Er war froh, als die Sitzung beendet war. Er speicherte das Protokoll in den Zentralsyntron ein und fertigte ein Backup fur den Eigenbedarf an. Vielleicht stellte sich Tage oder Wochen später heraus, daß die Kopie mit dem „Original" nicht mehr übereinstimmte, weil jemand befunden hatte, daß gewisse Passagen aus letzterem zu streichen seien...
Nachdem Daarshol seinen Pflichten nachgekommen war, suchte er seine Unterkunft in der Peripherie von Thakarach auf. Er bewohnte eines von acht Appartements in einem Wohnblock. Darin stand ihm ein Terminal zur Verfügung, das nicht nur mit dem Zentralsyntron verbunden war, sondern über das er auch jeden der tausend Suprematoren in seinem Privatquartier erreichen konnte.
Er stellte die Bildsprechverbindung mit Cemaach her. „Du schon wieder, Daarshol?" stellte der Alte zur Begrüßung fest. „Ich dachte, unsere Verbindung sei ein fur allemal beendet."
„Ich habe Probleme mit meiner Einstellung zur Dialektik", sagte Daarshol so unverbindlich wie möglich. „Mich plagen Zweifel, ich bin in Nöten mit mir selbst. Ich brauche dringend einen weisen Ratgeber, Cemaach."
Der Alte bat ihn daraufhin zu sich, und eine Stunde später landete Daarshols Gleiter vor dem alleinstehenden Haus. Cemaach lud ihn diesmal nicht ins Haus, sondern fuhrte ihn von diesem fort. Nachdem sie eine Weile wortlos nebeneinander hergegangen waren, sagte Cemaach: „So, jetzt sind wir weit genug vom Haus entfernt. Ich habe das untrügliche Gefühl, daß du mir etwas zu sagen hast, das nicht für anderer Ohren bestimmt ist."
„Wird über dich, trotz deines Alters, immer noch Protokoll geführt?" wunderte sich Daarshol, und ihm fiel erst nachträglich auf, daß er immer noch die vornehme Umschreibung für Bespitzelung gebrauchte. „Seit
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