1490 - Endstation Sol
deinem letzten Besuch sicherlich", antwortete Cemaach. „Vrochnash hat mir freundschaftlich zu verstehen gegeben, daß du die Herren der Straßen im negativen Sinn auf dich aufmerksam gemacht hast. Er hat die Anweisung bekommen, dich vorerst mit keinen wichtigen Aufgaben zu betrauen und dich im Auge zu behalten."
Damit, daß er bei allen Herren der Straßen in Ungnade fallen könnte, hatte Daarshol nicht gerechnet. Vielleicht war er aber auch nur einem von ihnen ein Dorn im Auge. „In diesem Fall gibt es kein Zurück mehr", sagte er. „Ich kann nur noch vorwärts stürmen."
„Du könntest ins Verderben laufen", mahnte Cemaach. „Ich könnte aber auch den Gipfel erreichen! Eines von beidem."
Da Cemaach daraufhin schwieg, ftihr Daarshol fort: „Ich brauche Informationen .über das Solsystem, Cemaach. Da du der einzige bist, den ich kenne und dem ich auch vertrauen kann, der eine Passage nach Terra bekommen hat, wende ich mich an dich."
„Was sollten dir diese Informationen nützen?"
„Ich möchte einen Weg finden, um ins Solsystem einreisen zu dürfen. Ich brauche deine Informationen, damit ich für diesen Augenblick gewappnet bin."
„Bevor ich dir irgendeine Auskunft gebe, möchte ich den Grund für deinen ehrgeizigen Vorsatz erfahren", verlangte Cemaach, „Aber die Wahrheit bitte, junger Mann!"
Daarshol überlegte kurz, dann entschied er sich, Cemaach alle seine Vermutungen über die Bedeutung des Solsystems als Zentrum der Macht und seine Befürchtungen, die Terraner könnten die Sklavenhalter der Cantaro sein, lückenlos mitzuteilen.
Cemaach Ueß ihn reden. Erst als Daarshol geendet hatte, sagte er: „Was du durchmachst, das habe ich schon vor hundert Jahren hinter mich gebracht. Jeder Supremator gelangt eines Tages an diesen Punkt, wo er erkennt, daß die Röllen ein wenig anders verteilt sind, als es scheint. Du hast nur das Unglück, daß du dir in zu frühen Jahren, kaum daß du im Supremkommando Fuß gefaßt hast, solche Gedanken machst. Und es ist ein zusätzliches Unglück, daß du dies in einer Zeit des Umbruchs tust. Die Milchstraße ist in Aufruhr, die Galaktiker fordern Mitbestimmung und Freiheit - und es gibt sogar Kräfte, die imstande sein könnten, diese Forderungen durchzusetzen."
„Dann habe ich recht mit der Annahme, daß das Solsystem das Zentrum der Macht ist und die Terraner in Wahrheit uns beherrschen?" platzte Daarshol heraus. „Ja zum ersten Punkt, beim zweiten bin ich mir unsicher", antwortete Cemaach. „Aber wenn du bei deinen Überlegungen schon so weit gegangen bist, wieso bist du dann nicht auf die naheliegenden Dinge gestoßen, die zu denken geben sollten. Die scheinbar selbstverständlichen Kleinigkeiten des Alltags."
„Wie meinst du das?"
„Ich meine, daß wir Cantaro keine Eigenstähdigkeit mehr besitzen", sagte Cemaach. „Wir Cantaro denken in Terranismen und leben nach Terranorm. Nimm irgendein Zeitmaß, eine Entfernungsangabe, einen beliebigen Maßstab für alle Bereiche unseres Lebens - sie haben ihren Ursprung auf Terra. Wenn du von einem Jahr sprichst, dann meinst du den Zeitraum, den die Erde für einen Umlauf um die Sonne braucht. Wenn du dich als hundertzweiundachtzig Zentimeter groß bezeichnest, dann setzt du ein terranisch.es Längenmaß an. Und wir leben terranisch. Alles, was wir tun, wird von Terra diktiert."
„Das ist mir nicht neu, aber so habe ich es noch nicht gesehen", sagte Daarshol nachdenklich. Seiner bisherigen Ansicht nach hatten sie das Interkosmo nur angenommen, um die Galaktiker besser beherrschen zu können, aber nicht als Maß aller Dinge. Doch konnte es auch so sein, daß sie nach dem Diktat Terras lebten. „Es gibt noch viele weitere Aspekte zu beachten, sie sind jedoch alle kein Beweis für deine Theorie", fuhr Cemaach fort. „Es hat eine Zeit gegeben, da pflanzten wir uns auf natürliche Weise fort und hatten eine viel längere Lebenserwartung als heute. Man kann sich fragen, warum wir uns durch Klonen vermehren müssen und warum wir nicht mehr eines natürlichen Todes sterben dürfen. Sind wir deshalb Opfer, weil man uns diese Lebensphilosophie eingeredet hat, oder sind wir nur Helden, weil wir uns für den Verzicht fast aller Genüsse und Vorzüge entschieden haben."
Daarshol war leicht verwirrt, weil Cemaach dieses brisante Thema so leichthin behandelte. „Was denkst du denn, Cemaach?" fragte er. „Ich will in Frieden sterben", sagte der Alte. „Darum möchte ich glauben, daß wir alle diese Bürden nur auf uns
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