1490 - Endstation Sol
wie aus Gramt gemeißelt. Als er das Rednerpult erreichte, verkündete eine Robotstimme: „Der weise Herr Farlon Stretter gibt sich die Ehre."
Farlon Stretter streckte sich zu voller Größe von beinahe zwei Metern und verschränkte die muskulösen Arme vor der Brust. Mit hoch erhobenem Haupt ließ er den Blick seiner eisgrauen Augen über die Versammelten wandern. Er schürzte spöttisch die Lippen, um damit seine ganze Verachtung gegen jenen auszudrücken, der nicht den Mut hatte, zu seiner Tat zu stehen. „Seht mich an", sagte der Herr der Straßen in die Runde. „Seht mir in die Augen. Ich möchte den Blick mit jedem einzelnen von euch kreuzen und mich mit ihm messen. Ich möchte in euer Innersten schauen, um festzustellen, in welchem von euch die Brutstätte aus Lüge und Verrat schwärt. Ich will dem Verräter in die Augen sehen."
Peeroush blickte wie hynotisiert auf den Herrn der Straßen. Als sich Farlon Stretter in seine Richtung drehte, suchte er wie ein Verlorener, der nach Buße verlangte, den Blick seiner Augen. Doch Farlon Stretter sah über ihin hinweg. Er streifte ihn bloß mit seinem Blick und konzentrierte sich dann auf seinen linken Nebenmann. Dieser straffte sich, reckte das Kinn; er war unschuldig, er konnte sich reinen Gewissens der Prüfung stellen.
Obwohl Peeroush um Haaresbreite der Demaskierung entgangen war, fühlte er sich betrogen. Er hatte nicht die Kraft, sich der VerSchwörung mit Daarshol und seiner Mittäterschaft zu bekennen. Es war schließlich nicht sein Verbrechen, und Daarshol sollte das Vorrecht haben, zu gestehen. Und dennoch hatte Peeroush sich förmlich danach gesehnt, vom weisen Herrn Farlon Stretter durchschaut zu werden.
Nun hatte er nur noch Chance auf Errettung, falls der Herr der Straßen Daarshol fixierte und dieser unter dessen hypnotisierendem Blick zusammenbrach. Hoffentiich wurde dieser Wahnsinnige schwach!
Farlon Stretters Blicke wanderten die Sitze hinunter, erreichten Daarshols Reihe... und schweiften weiter.
Peeroush sank enttäuscht in sich zusammen. Diese Chance, dem Teufelskreis zu entfliehen, war vertan.
Peeroush konnte nun nur hoffen, Daarshol bei der vereinbarten Zusammenkunft dazu überreden zu können, sich zu stellen. Und erst wenn das nichts half, würde er Daarshol wohl oder übel denunzieren müssen. „Nun gut", drang Farlon Stretters Stimme in Peeroushs Geist und riß ihn in die Wirklichkeit zurück. „Der Schuldige will sich nicht zu erkennen geben. Ich könnte sogar verstehen, daß er davor zurückschreckt, vor aller Augen hervorzutreten. Darum gebe ich ihm die Möglichkeit, sich anonym bei mir zu melden. Ich bin innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden noch auf Schotschi zu erreichen."
Der Herr der Straßen machte eine kurze Pause und fügte danach hinzu: „Eines möchte ich noch klarstellen. Ich habe nicht vor, als Scharfrichter über den Beschuldigten zu urteilen. Vielleicht stellt es sich heraus, daß alles nur auf einem Mißverständnis beruht. Was auch immer dahintersteckt, ich möchte die Hintergründe erfahren. Mit mir läßt sich reden."
Mit diesen Worten zog sich der Herr der Straßen zurück.
Die Sitzung war geschlossen, und die Suprematoren wurden entlassen.
*
Daarshol empfing Peeroush in geradezu euphorischer Stimmung. „Wir haben Farlon Stretters Augentest bestanden", jubelte er. „Wir haben es so gut wie geschafft, mein Freund."
„Ich bin nicht dein Freund", sagte Peeroush abweisend und fügte anklagend hinzu: „Was ist nur in dich gefahren, daß du die Gewebeprobe hier in der Unterwelt ausgesetzt hast, Daarshol! Du mußt den Verstand verloren haben. Ist dir denn nicht klar, in welche Gefahr du uns gebracht hast?"
„Ganz im Gegenteil, Peeroush, ich habe unseren Höhenflug eingeleitet", erwiderte Daarshol. „Ich habe dies nur getan, um Farlon Stretter aus seinem Rattenloch hervorzulocken und ihn zu Aktivitäten zu provozieren. Er ist mir in die Falle getappt. Jetzt können wir gegen ihn vorgehen."
„Weißt du denn überhaupt, von wem du sprichst?" fragte Peeroush, entsetzt von Daarshols Wortwahl. „Von einem der acht Herrscher über die Milchstraße! Vor einem der acht Herren über Leben und Tod! Du kannst unmöglich noch über einen normalen Cantaroverstand verfügen, wenn du dich mit einem der Herren der Straßen messen willst."
„Farlon Stretter muß der Verräter sein", behauptete Daarshol. „Ich habe schon lange vermutet, daß einer von ihnen falsch spielt, hatte anfangs aber
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