1497 - Die Gespenster-Villa
Geister und Gespenster. Und sie ist es schon immer gewesen.«
»Warst du auch schon immer hier?«
»Ja, schon lange.«
»Und wer bist du?«
»Ein Sammler der Toten. Ich bin der Mann vom Totenacker. Ich habe ihn bewacht. Ich habe ihn geliebt. Ich habe deswegen die Gnade der Hölle erlangt und bin so etwas wie der Bewahrer des Totenreichs. Ich – Frederic March.«
Mason Fox hatte einiges erfahren und wusste trotzdem noch viel zu wenig. Es gab also einen Bewacher der Leichen. Es gab einen Herrn ihrer Seelen, die die Körper verlassen hatten. Das alles war neu für ihn und auch irgendwie zu hoch. Er fragte sich, wie so etwas möglich war.
Der Mann mit dem dunklen Bart und den ebenso dunklen krausen Haaren schaute ihn an.
»Ich lasse mir meine Welt nicht zerstören«, sagte er. »Damals wie heute hole ich mir die Menschen, die kurz vor dem Ableben stehen, und lasse sie hier sterben. Ihr Tod macht mich reich.«
»Ach, du bekommst Geld dafür?« spottete der Polizist.
»Nein, ich erhalte ein anderes Salär. Für jeden Toten verlängert sich mein Leben. So ist es schon viele, viele Jahre. Ich schaffe die Menschen heran, und wenn sie gestorben sind, erhalte ich wieder Punkte auf meinem Konto.«
Mason Fox hatte alles verstanden. Er war davon ausgegangen, es mit einer verkleideten Gestalt zu tun zu haben. Doch nun lagen die Dinge anders. Er musste zugeben, dass dieser Frederic March die Wahrheit erzählte. Dass er kein Mensch aus dieser Zeit war, sondern jemand aus der Vergangenheit, der schon längst hätte tot und vermodert sein müssen, der aber trotzdem noch lebte.
Für Mason Fox war das nur schwer zu begreifen. Er sah sich in die Defensive gedrängt, und auch wenn er durch den Geist seines Großvaters schon einiges gewohnt war, hatten die Erklärungen dieser Gestalt dem noch die Krone aufgesetzt.
March nahm seine rechte Hand nicht vom Griff des Degens. »Auf eine Art freue ich mich, dass du hier erschienen bist. So kann ich dich töten. Ich lasse dich langsam sterben, und wenn dies geschehen ist, kommen wieder einige Punkte auf mein Konto, sodass ich weiterleben kann.«
»Aber die Seelen gehören dir nicht!«
»Ich will sie auch nicht.«
»Sind es Geister oder Gespenster?« fragte Mason.
»Ich weiß es nicht. Es ist mir auch egal. Sie sind Beute für den Teufel. Ich überlasse sie ihm. Wichtig sind für mich die Lebenspunkte. Früher gab es hier das Haus und einen Friedhof in der Nähe. Im Haus wurden die Orgien gefeiert. Man amüsierte sich. Es war die lustvolle Zeit, die sich der Adel gönnte. Den Herrgott gab es nicht mehr, nur noch die Lust, den Egoismus und den Teufel. Ich gehörte nicht dazu, denn ich war nur der Totengräber vom nahen Waldfriedhof. Aber ich habe mich mit dem Adel arrangiert, denn ich besorgte ihnen das, was sie wollten. Frauen, Mädchen, manchmal auch Knaben. Es kam ganz auf ihre Wünsche an.«
»Und was passierte mit dir?«
»Ich erhielt Einblick in ihre Welt. Es war für mich eine Zeit des Lernens. Ich habe erlebt, dass man sich im Leben für eine Seite entscheiden muss. Genau das habe ich getan. Ich entschied mich für das pralle Leben und für den Teufel. Ich stellte mich auf seine Seite. Ich holte die Toten, er gab mir die Punkte. Und du glaubst gar nicht, wie interessant die Hölle sein kann. Sie ist ein Mosaik aus unzähligen kleinen Wundern, und ich bin eines davon.«
»Nein!« sagte Mason. »Das kann ich dir nicht glauben. Das will ich auch nicht glauben. Ich habe den Geist meines Großvaters gesehen. Er besuchte mich. Ich konnte mit ihm reden, und er hat mir nichts vom Teufel oder der Hölle gesagt. Er hätte es getan, wenn alles so stimmen würde, wie du es gesagt hast. Aber es trifft nicht zu. Die Seele oder der Geist meines Großvaters ist nicht beim Teufel. Er war in seinem Leben viel zu gut, um dort zu landen. Er ist kein Mensch für die Hölle, verflucht noch mal. Hörst du?«
»Er hat keine Wahl. Kein Mensch kann dem Teufel entgehen, wenn der es nicht will. Er ist allmächtig. Ich wäre längst verfault und vermodert, aber er hat seine schützende Hand über mich gehalten.«
»Wie mein Großvater mich immer beschützt hat.«
Mason glaubte an die Worte, doch als er das bösartig klingende Lachen seines Gegenübers hörte, da kamen ihm Zweifel. Überhaupt hütete er sich davor, viel nachzudenken. Hier trafen zwei Welten aufeinander, die nicht zu verbinden waren.
Der Bärtige zog seinen Degen!
Mason sah die blitzende Klinge, und er ärgerte sich, dass er seine
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