1499 - Das Mondgehirn erwacht
flüchten müssen.
Er stand nur da und ließ die Medo-Roboter machen.
Die Roboter gingen äußerst behutsam ans Werk. Sie waren ausgeschwärmt und nahmen sich jeder einen der Träumer vor. Und wenn sie einen vom Simusense-Netz abgenabelt hatten, nahmen sie sich den nächsten vor. Das war schon zur Routine geworden. Seit sie mit NATHAN und der Festung Titan zusammenarbeiteten, lief alles wie am Schnürchen. Atlan hatte in Zusammenarbeit mit Perry Rhodan die beiden Großsyntroniken gekoppelt.
Am Anfang war es noch ganz schlimm gewesen.
Tifflors erster Patient war eine Frau gewesen. Sie vegetierte in einem kleinen Apartment eines Hochhauses zusammen mit tausend Schicksalsgenossen. Ihre Welt bestand aus Schmutz und Ungeziefer, einem Stuhl, dem Anschluß an eine Ernährungsanlage und einem drei mal zwei Zentimeter großen Chip am Handgelenk. Für die tausend Bewohner gab es einen klapprigen Wartungsroboter, der so betriebsblind war, daß er die Eindringlinge gar nicht registrierte.
Die Frau war eine von etlichen Millionen in Terrania. Julian Tifflor sah ihr an, daß sie noch nicht sehr alt sein konnte, dreißig höchstens, obwohl sie den Körper einer Greisin hatte. Aber etwas in ihrem Gesicht, ein fast noch kindlichnaiver Ausdruck, ein Hauch von Jungfräulichkeit, widerspiegelte ihre verlorene Jugend. Die Untersuchung des Medo-Roboters bestätigte seine Schätzung. Die Frau hatte ein biologisches Alter von 27 Jahren.
Als der Medo-Robot vorsichtig die Schlauchverbindungen zum Ernährungssystem löste, begann es im schwammigen Gesicht der Frau zu zucken. Ihr aufgedunsener, mit Schwären bedeckter Körper blähte sich noch mehr auf. Sie beruhigte sich erst wieder, nachdem der Robot ihr ein Injektionspflaster in den kahlen Nacken gedrückt hatte. Danach machte er sich an dem Chip an ihrem Handgelenk zu schaffen. Er versuchte zuerst, ihn gewaltsam zu lösen, unterließ dies jedoch, als er die Abwehrreaktionen ihres Körpers registrierte. Diese äußerten sich optisch durch einen heftigen Schüttelfrost und Schweißausbrüche. Die Frau würde durch Schock sterben, wenn man den Simusense-Chip gewaltsam entfernte.
Der Robot nahm daraufhin seinen Syntron zu Hilfe, um den Chip zu untersuchen. Auf diese Weise erfuhr er auch die Daten zu ihrer Person. Sie hieß Farna Midan und war vor elf Jahren von einer terranischen Kolonie nach Terra „importiert" worden; in ihrem Traumleben war sie verheiratet und hatte eine dreijährige Tochter, die ihr Leben bedeutete; zuletzt hatte sie die Bekanntschaft eines attraktiven Mannes gemacht, mit dem sie eine Affäre anfing; dieses Verhältnis wurde jedoch getrübt, als der Mann ihr einzureden versuchte, daß sie nur in einem Traum lebte, und ihr zusetzte, aus diesem Traum auszusteigen; Farna wehrte sich mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln dagegen.
Darüber hinaus fand der Medo-Roboter jedoch keine Möglichkeit, wie er die Simusense-Verbindung unterbrechen konnte, ohne daß er einen für die Träumerin tödlichen Schock riskierte. Julian Tifflor gab dennoch sein Einverständnis, und der Robot schaltete den Simusense-Prozessor ab.
Durch Farna Midans aufgedunsenen Körper ging ein heftiger Ruck, sie bäumte sich auf, ihre Hände griffen tastend ins Leere. Sie riß die Augen auf, wandte den Kopf. „Nein, nein", wimmerte sie kaum verständlich. „Diesen Trip habe ich nicht gewollt. Gebt mir Noyi zurück.
Bitte, bitte, laßt mich in mein Leben zurückkehren!"
Noyi war die Tochter aus ihrem Simusense-Leben.
Sie sah zuerst den Robot und dann Tifflor, blickte zwischen beiden mit großen, angststarren Augen hin und her. „Du hast das alles nur geträumt, Farna", redete Tifflor ihr zu. „Wir haben dich ins Leben zurückgeholt.
Die Wirklichkeit mag für dich im ersten Moment schrecklich sein. Aber glaube mir, wir werden alles für dich tun, daß du wieder Freude am Leben findest."
Farna schüttelte den Kopf. „Das ist ein Alptraum. Ich will diesen Trip nicht. Gebt mir meine Noyi.
Mehr verlange ich nicht. Bitte, laßt mich aussteigen. Ich möchte mein Kleines wiederhaben."
Julian Tifflor versuchte die Frau zu beruhigen, indem er sie in die Arme nahm und auf sie einredete. Aber sie schrie die ganze Zeit über und schlug auf ihn ein, bis die Kräfte sie verließen und sie durch die Wirkung des Beruhigungsmittels in einen ohnmachtähnlichen Schlaf fiel.
Daraus erwachte sie nicht wieder.
Solche und ähnliche Szenen wiederholten sich noch Dutzende Male. Zuerst war Tifflor noch von
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