15 Gruselstories
gekannt hatten. Das war ein alter Sonderling mit einer quengeligen Stimme, der jeden mißtrauisch anschaute, der ihn nach seiner Reise befragte. Er war wirklich ein Sonderling, denn er schien nicht einmal die Leute, die ihn grüßten, zu erkennen. Und wenn er sie erkannte, verhielt er sich abstrakt. Das ist in diesem Zusammenhang ein seltsames Wort; aber wie sollte man es sonst bezeichnen, wenn ein alter Freund, der ihn trifft, einem schweigenden Mann gegenübersteht, dessen Augen so unverwandt ins Leere starren, als erblicke er in der Ferne ein Grauen, vor dem er sich fürchtet? Es war etwas Seltsames, was sie alle bei Hartley entdeckten. Er hatte Angst. Furcht lastete auf seinen hängenden Schultern. Furcht ließ seine Wangen einfallen und rief das Mißtrauen in seiner Stimme hervor. Furcht grinste aus diesen Augen, die ins Leere starrten. Als ich von dem allen erfuhr, machte ich mich auf, um Arthur Hartley in seiner Wohnung zu besuchen. Die anderen hatten mir von ihren Bemühungen erzählt, in der Woche nach seinem Erscheinen im Klub Einlaß in seine Wohnung zu finden. Sie sagten, daß er die Tür nicht aufgemacht hätte, und beklagten sich darüber, daß er das Telefon abgestellt hatte. Aber ich war überzeugt, daß das etwas mit seiner Furcht zu tun haben mußte.
Ich wollte Hartley nicht fallenlassen. Erstens war ich ein ziemlich guter Freund von ihm, und zweitens muß ich gestehen, daß ich hinter alledem ein Geheimnis witterte. Aus diesen beiden Gründen wurde das Verlangen, ihn zu sehen, unwiderstehlich. Eines Nachmittags ging ich zu seiner Wohnung hinauf und läutete.
Nichts rührte sich. Ich trat dicht an die Tür heran, um vielleicht Schritte oder ein anderes Lebenszeichen von drinnen zu hören. Nichts rührte sich. Es war absolut still. Mir kam der flüchtige Gedanke an Selbstmord, aber dann verscheuchte ich meine aufkommende Angst mit einem Lachen. Das war blanker Unsinn – aber auf der anderen Seite waren alle, die Hartley gesehen oder mit ihm gesprochen hatten, einer Meinung, was seinen Geisteszustand anging. Und wenn alle den gleichen Eindruck von Hartley hatten, waren meine Befürchtungen vielleicht nicht ganz so ungerechtfertigt. Jedoch Selbstmord …
Ich läutete noch einmal. Es war mehr eine Geste als ein zweiter Versuch. Dann drehte ich mich um und ging die Treppe hinunter. Ich erinnere mich, daß ich eine gewisse unerklärliche Erleichterung verspürte, als ich mich entfernte. Der Gedanke an Selbstmord hatte mir ein Unbehagen eingeflößt.
Als ich die Haustür erreichte und sie öffnete, hörte ich ein Geräusch hinter mir. Ich drehte mich um und sah Hartley auf der Treppe.
Ich sah ihn zum erstenmal nach seiner Rückkehr aus Ägypten, und er machte in dem schummerigen Treppenhaus einen gespenstischen Eindruck auf mich. Er sah bejammernswert aus. Sein Kopf war gesenkt. Er blickte erst auf, als ich ihn grüßte. Sein Blick versetzte mir einen Schock. Seine Augen lagen tief in den Höhlen. Er starrte mich zu Tode erschrocken an. Vor mir stand nicht der Hartley, den ich kannte, sondern ein Fremder – ein gehetzter Fremder.
Er trug einen verschlissenen Mantel, der um seine magere Gestalt schlotterte. Ich sah, daß er unter dem Arm ein großes, in braunes Papier gehülltes Bündel trug.
Ich sagte irgend etwas, aber ich weiß nicht mehr, was. Ich weiß nur noch, wie schwer es mir fiel, mein Erschrecken über sein Aussehen zu verbergen. Ich glaube aber, daß ich von einer penetranten Höflichkeit und Herzlichkeit war, denn ich befürchtete, daß er mir jeden Augenblick den Rücken zuwenden und, ohne mit mir zu reden, in seine Wohnung zurückgehen würde. Gegen so viel Herzlichkeit war er machtlos, und er konnte schließlich nicht umhin, mich in seine Wohnung
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