15 Gruselstories
aus der Zeit vor seiner Expedition her kannten, standen seiner drastischen Veränderung völlig fassungslos gegenüber. Hartley war als kluger Gelehrter und als bahnbrechender Einzelgänger auf dem Gebiet der Archäologie bekannt. Aber abgesehen davon war er eine ungemein charmante Persönlichkeit. Ihn umgab das Fluidum des Weltmannes, über das er sich mit gekonnten Witzen selber lustig machte. Er war der Typ des Mannes, der im richtigen Moment den richtigen Wein bestellte und gleichzeitig grinste, als wäre er darüber genauso erstaunt wie seine Gäste des Abends. Seine Freunde waren von Hartleys gesellschaftlicher Sicherheit, die er nicht großartig zur Schau stellte, sehr angetan. Er übertrug diese Art, mit seinem Wissen nicht zu protzen, auch auf seine Arbeit. Obwohl jeder wußte, wie sehr er sich für die Archäologie interessierte und einen Namen auf diesem Gebiet hatte, brachte er es fertig, von seinen Studien als einem ›Herumspielen mit alten ausgebuddelten Steinen‹ zu sprechen.
Demzufolge war sein seltsames Benehmen nach der Expedition für alle ein völliges Rätsel.
Das einzige, was alle mit Bestimmtheit wußten, war, daß er acht Monate lang in Ägypten gewesen war. Gleich nach seiner Rückkehr hatte er alle Verbindungen zu dem Institut, für das er gearbeitet hatte, abgebrochen. Alles, was sich auf dieser Expedition zugetragen haben sollte, war nichts weiter als Mutmaßungen seiner alten Freunde. Aber daß sich etwas zugetragen hatte, darüber konnte kein Zweifel bestehen.
Der Abend, an dem er im Klub war, hatte es bewiesen. Er war leise hereingekommen – viel zu leise. Hartley gehörte zu den Leuten, die normalerweise nicht einen Raum betreten, sondern einen Auftritt haben. Sein großer, schlanker Wuchs, sein Abendanzug, der so tadellos saß, wie man es sonst nur in Modezeitschriften sah, seine Löwenmähne mit den silbergrauen Haarsträhnen: Das alles waren Attribute, die nicht zu übersehen waren. Er konnte überall als Mann von Welt gelten oder als ein Zauberkünstler, der auf das Stichwort wartet, um die Bühne zu betreten. An diesem Abend hatte er die Klubräume still und bescheiden betreten. Er trug zwar wie immer einen Abendanzug, aber seine Schultern hingen, und sein Gang hatte jede Elastizität verloren. Seine Haare waren grauer geworden und fielen wirr über seine gebräunte Stirn. Sein Gesicht hatte trotz der Bräune der ägyptischen Sonne einen krankhaften Anstrich. Seine Augen wanderten unstet umher. Sein Gesicht schien die Form verloren zu haben; seine Mundwinkel hingen herab.
Er grüßte niemanden und setzte sich allein an einen Tisch. Seine alten Freunde gingen natürlich zu ihm hin und redeten mit ihm. Aber er bat keinen, an seinem Tisch Platz zu nehmen. Das Seltsame war, daß auch keiner von ihnen darauf bestand, was sie normalerweise lärmend getan hätten. Sie hätten sich mit einer Selbstverständlichkeit unaufgefordert neben ihn gesetzt, um ihn aus seiner trüben Stimmung zu reißen. Und sie wußten aus Erfahrung, daß das bei ihm sehr einfach war. Trotzdem wandten sich an diesem Abend alle, nachdem sie ein paar Worte mit Hartley gesprochen hatten, wieder ab.
Sie fühlten schon damals, daß irgend etwas mit Hartley nicht stimmte. Einige waren der Meinung, daß Hartley vielleicht noch immer an einer furchtbaren Krankheit litt, die er sich in Ägypten zugezogen hatte. Aber ich bin überzeugt davon, daß sie das im Grunde ihres Herzens selbst nicht glaubten. Alle, die ihn gesehen hatten, machten einen reichlich verstörten Eindruck und schienen das nicht zu beschreibende Fremde, das von ihm ausging, zu spüren. Das war ein Arthur Hartley, den sie nie
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