15 Gruselstories
Hartley hatte gesagt, er hätte die Mumie hier eingeschlossen. Der Deckel der Kiste war zwar zugeklappt, aber nicht abgeschlossen.
Ich öffnete ihn. An den Seiten waren Inschriften. Eine davon mußte der Fluch des Skarabäus sein. Ich weiß es nicht, denn ich starrte auf die schauerliche, unbedeckte Gestalt, die in der Kiste lag. Es war eine vertrocknete Mumie. Es war nichts weiter als eine leblose Hülle mit einem großen Loch im Bauch. Als ich in das Loch schaute, konnte ich undeutlich ein paar kleine schwarze Tiere mit großen Fühlern erkennen. Sie schreckten vor dem Licht zurück, aber ich konnte gerade noch das heilige Zeichen auf ihren Rückenpanzern sehen.
Hier war das Geheimnis des Fluches!
Das Innere der Mumie hatte die Käfer beherbergt. Sie hatten das Loch in den toten Körper hineingefressen und dann dort genistet. Und sobald die Nacht heranbrach, krochen sie aus ihrem Unterschlupf hervor.
Es stimmte also!
Mich überfiel ein schrecklicher Gedanke. Ich schrie auf und raste in Hartleys Schlafzimmer. Ich hörte auf der Treppe polternde Schritte. Das mußte die Polizei sein. Aber ich konnte nicht warten. Mein Herz zog sich vor Grauen zusammen.
Sollte Hartleys ganze Geschichte stimmen? Sollten die Käfer vielleicht eine göttliche Rache ausüben?
Ich beugte mich über sein Bett und tastete mit bebenden Händen den gekrümmten Körper ab. Ich suchte eine Wunde, denn ich mußte wissen, wie er gestorben war.
Aber ich entdeckte kein Blut, keine Wunde, keine Waffe neben ihm. Also mußte doch ein Herzschlag seinem Leben ein Ende gesetzt haben. Dieser Gedanke erleichterte mich seltsamerweise. Ich richtete mich auf und ließ den Körper meines Freundes in die Kissen zurücksinken.
Während meine Hände den Körper abgetastet hatten, waren meine Augen im Zimmer umhergeschweift. Ich suchte die Käfer. Hartley hatte die Käfer, die aus der Mumie herauskrochen, so sehr gefürchtet. Sie waren nach seinen Worten Nacht für Nacht in dieses Zimmer gekommen, an dem Bett hochgeklettert und über die Kissen gekrochen.
Wo waren sie jetzt? Sie hatten die Mumie verlassen und waren verschwunden, und Hartley war tot. Wo also waren sie jetzt?
Ich schaute plötzlich wieder auf Hartley. Irgend etwas stimmte mit der Leiche nicht. Mich überfiel plötzlich die Erkenntnis, daß der Körper, den ich eben hochgehoben hatte, viel zu leicht für einen ausgewachsenen Mann war. Ich schaute nachdenklich in sein verzerrtes Gesicht.
Auf einmal zuckte ich zusammen und glaubte meinen Augen nicht zu trauen.
Irgend etwas ging in dem Körper vor.
Seine Brust schien sich schwach zu heben und zu senken. Und plötzlich fiel sein Kopf mit einem Ruck zur Seite.
Er lebte – oder irgend etwas in ihm lebte!
Als sich jetzt sein verzerrtes Gesicht bewegte, schrie ich wie ein Wahnsinniger. Ich wußte auf einmal, wie Hartley gestorben war und was ihn getötet hatte. Ich erkannte die Auslegung des Fluches und wußte, warum die Käfer die Mumie verlassen hatten, um sein Bett zu suchen. Ich wußte, was sie erreichen wollten und was sie heute durchgeführt hatten.
Als ich Hartleys Gesicht sah, schrie ich so laut, daß ich hoffte, meine Stimme könnte das grauenhafte Rascheln, das den Raum erfüllte und aus Hartleys Körper kam, übertönen.
Ich wußte, daß ihn der Fluch des Skarabäus getötet hatte.
Als ich sein Mund langsam öffnete, schrie ich, und mein Schreien hatte nichts Menschliches mehr an sich. In dem Augenblick, als ich ohnmächtig wurde, sah ich gerade noch, wie Arthur Hartleys tote Lippen sich öffneten und einen Schwarm schwarzer Skarabäuskäfer ausspuckten, die eilig über das Kissen krochen.
ENDE
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