15 Gruselstories
einiges mehr, aber im Grunde handelte es sich um diese kurze Diagnose. Wir riefen dann zusammen in dem Institut an, in dem Hartley gearbeitet hatte. Sie konnten die ganze Geschichte bestätigen, denn sie wußten inzwischen auch, daß Hartley eine Mumie gestohlen hatte. Sherman hatte noch eine Verabredung, aber er wollte sich um zehn Uhr mit mir treffen, und dann wollten wir gemeinsam zu Hartley gehen. Ich hatte auf diesem zweiten Besuch bei Hartley bestanden, denn ich hatte das Gefühl, daß keine Zeit mehr zu verlieren wäre. Vielleicht sah ich auch zu schwarz, aber diese seltsame Nachmittagssitzung hatte mich aus der Ruhe gebracht.
Ich verbrachte die frühen Abendstunden in einer entnervenden Ruhelosigkeit. Meine Gedanken gingen ständig im Kreise. Vielleicht wirkten sich alle sogenannten ›Ägyptischen Flüche‹ so wie bei Hartley aus. Der Schuldkomplex trieb die Grabschänder so weit, daß sie Schatten zu sehen glaubten, die sie bestraften. Sie hatten Halluzinationen von einer Vergeltung, die sie vielleicht in den Selbstmord treiben konnten. Darum hatte ich auch alles darangesetzt, daß Sherman Hartley gleich heute aufsuchte. Mich ließ der Gedanke an Selbstmord seit dem heutigen Nachmittag nicht los. Denn wenn ein Mann jemals am Rand eines vollständigen Zusammenbruchs stand, dann war es gewiß Arthur Hartley.
Es wurde allerdings elf Uhr, ehe Sherman und ich vor Hartleys Tür standen und läuteten.
Nichts rührte sich!
Wir standen im dunklen Treppenhaus und schauten uns nicht an. Nach einem zweiten vergeblichen Läuten hämmerte ich mit den Fäusten an die Tür. Als sich auch daraufhin nichts rührte, bekam ich es mit der Angst zu tun und entschloß mich, meinen Dietrich zu benutzen.
Ich glaube, der Zweck heiligt die Mittel.
Wir traten ein.
Das Wohnzimmer war leer. Nichts hatte sich seit dem Nachmittag verändert. Ich konnte das mühelos feststellen, denn alle Lampen brannten, und die Kerzenreste glommen noch.
Der scharfe Geruch des Insektenpulvers drang in unsere Nasen; der ganze Fußboden war mit einer weißen Schicht bedeckt.
Wir machten uns natürlich bemerkbar, ehe wir das Schlafzimmer betraten. Der Raum war dunkel und – wie ich glaubte – leer, aber als ich das Licht anschaltete, fiel mein Blick auf die zusammengekrümmte Gestalt unter der Bettdecke. Es war Arthur Hartley. Ich brauchte kein zweites Mal hinzuschauen, um festzustellen, daß sein weißes Gesicht vom Tod verzerrt war.
Hier in diesem Raum roch es am stärksten nach Insektenpulver und brennendem Weihrauch. Und trotzdem war hier noch ein anderer Geruch, ein modriger Geruch, wie ihn oft Tiere an sich haben.
»Was sollen wir machen?« fragte ich.
»Ich werde hinuntergehen und die Polizei anrufen«, sagte er. »Rühren Sie nichts an.«
Als er davoneilte, ging ich auch aus dem Schlafzimmer. Ich fühlte, wie sich mein Magen umdrehte. Der Ausdruck auf Hartleys Gesicht hatte mich so erschreckt, daß ich es nicht übers Herz brachte, seinen Körper zu untersuchen. Selbstmord – Mord – Herzanfall – ich wollte nicht einmal wissen, auf welche Art mein Freund gestorben war. Der Gedanke war zu schrecklich, daß wir zu spät gekommen waren.
Als ich aus dem Schlafzimmer kam, schlug mir der widerliche Gestank verstärkt entgegen. Und auf einmal wußte ich, was das für ein Geruch war. Käfer!
Aber wie sollten hier Käfer hergekommen sein? Das Ganze hatte sich der arme Hartley doch nur eingebildet. Und selbst dessen verwirrter Geist hatte festgestellt, daß die Wände keine Löcher hatten, durch die die Käfer kriechen konnten.
Aber der Gestank wurde immer stärker! Als ich ihm nachging, führte er mich zu dem zweiten Schlafzimmer. Ich brach die Tür auf.
Die Kiste mit der Mumie lag auf dem Bett.
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