15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan
denn?“
„Ja. Aber sie dürfen auf keinen Fall wissen, daß wir uns hier befinden. Darum sollen sie weder uns, noch unsere Pferde sehen.“
„Das kann sehr leicht vermieden werden. Ihr braucht nur in meine Schlafstube zu gehen, bis sie wieder fort sind.“
„Meine Gefährten mögen das tun. Ich aber will sie belauschen.“
„Ich weiß zwar nicht, was du damit bezweckst, aber das Horchen wird dir nicht schwer werden. Komm her; ich werde dich verstecken.“
Er führte mich hinter die eine Scheidewand. An derselben lehnten mehrere große Bündel geschälter Weiden, das Material, aus welchem die Wandgeflechte hergestellt wurden.
„Stecke dich hinter diese Bündel“, sagte er. „Da kannst du durch die Zwischenräume des Geflechtes in die Stube sehen. Die Fremden werden dir so nahe sitzen, daß du ihre Worte hören kannst, selbst wenn sie nicht allzu laut sprechen.“
„Aber wenn sie nachsehen sollten, ob sie nicht beobachtet werden?“
„Ich werde den Bündeln eine solche Stellung geben, daß du gar nicht bemerkt werden kannst.“
„Gut! Noch aber muß ich dir sagen, daß ich eher aufbrechen muß, als die beiden Reiter, welche nach Ostromdscha wollen. Und du mußt mit!“
„Ich? Warum?“
„Um den Dieben dein Geld wieder abzunehmen.“
„Sind diese denn in Ostromdscha?“
„Ich habe allen Grund, es zu vermuten. Laß also sofort satteln und dein Pferd mit den unserigen an einen Ort schaffen, wo sie nicht von diesen Menschen bemerkt werden können. Sobald ich hier genug gehört habe, schleiche ich mich in dein Schlafzimmer. Einer deiner Knechte muß dort bereit sein, uns zu den Pferden zu führen, bei denen du dich dann auch schnell einfindest. Jetzt gehe fort, bevor sie kommen.“
Diese Mitteilung war uns nur dadurch ermöglicht worden, daß ich bemerkt hatte, die beiden Reiter schienen sich gar nicht zu beeilen, in die Gaststube zu kommen. Sie waren langsam abgestiegen und dann nach einem der Seitengebäude gegangen, wohl „um zu sehen, ob sie dort nicht etwas fänden, was sie heimlich mitgehen lassen könnten“, wie der Wirt sich ausdrückte.
Dieser entfernte sich, und ich setzte mich nun zwischen der Flechtwand und den Weidenbündeln bequem auf den Boden nieder. Die Zwischenräume der Wand erlaubten mir, die ganze Stube zu überblicken.
Da hörte ich einen nahenden Schritt.
„Sihdi, wo bist du?“ fragte die Stimme des kleinen Hadschi jenseits der Bündel.
„Hier stecke ich. Was willst du denn? Wie unvorsichtig von dir!“
„Pah! Die Kerle kommen noch nicht – sie stehen im Stall des Wirts, um dessen Pferde zu betrachten. Du sagtest, daß du sie kennst. Ist das wahr?“
„Ja, freilich.“
„Nun, wer sind sie denn?“
„Hast du sie denn nicht auch erkannt?“
„Nein, Sihdi.“
„Du hast doch sonst ein so gutes Auge! Hast du nicht die Schleuder bemerkt, welche dem einen von ihnen im Gürtel hängt?“
„Allerdings.“
„Nun, wer trug eine solche?“
„Weiß ich es?“
„Du solltest es wissen. Denk' doch einmal an den Taubenschlag!“
„Oh, Sihdi, an den mag ich gar nicht denken. Wenn ich mich an diesen traurigen Ort erinnere, möchte ich dich bitten, mir einige Ohrfeigen zu verleihen.“
„Du hast dir doch die Männer angesehen, welche unter uns in der Kammer saßen?“
„Auf welche dann die Katze mitsamt den Knüppeln herabkrachte und die Katze war aber ich! Ja, diese Leute habe ich mir genau betrachtet.“
„Auch die beiden zerlumpten Menschen, welche links an der Mauer saßen? Sie waren Brüder?“
„Ah, Sihdi, jetzt besinne ich mich. Der eine hatte eine Schleuder. Denkst du, daß sie es sind?“
„Ja, sie sind es. Ich habe mir ihre Gesichter ganz genau gemerkt.“
„O Allah! Sie sagten, daß sie nach Ostromdscha gehen müßten, um den drei Halunken zu melden, was mit uns geschehen sei, vielleicht gar, daß man uns in das Paradies befördert habe.“
„Das wollten sie. Diesen Auftrag haben sie von Manach el Barscha und Barud el Amasat erhalten.“
„So sind sie also noch nicht nach Ostromdscha gelangt, und die drei Kerle, welche wir suchen und die auch unsern jetzigen Wirt bestohlen haben, denken noch jetzt, daß wir uns nicht mehr auf ihrer Spur befinden. Sihdi, erlaube mir, dir einen sehr guten und sehr gescheiten Vorschlag zu machen!“
„Welchen?“
„Wollen wir nicht die beiden Kerle, welche du zu belauschen beabsichtigst, unschädlich machen?“
„Natürlich werden wir das tun.“
„Aber wie?“
„Das werden wir uns
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