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15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan

15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan

Titel: 15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ab, zog ein Silberstück hervor, reichte es ihm und sagte:
    „Das ist mein Paß.“
    Er betrachtete das Geldstück, machte ein freudig erstauntes Gesicht, nahm zum erstenmal die Pfeife aus dem Mund und rief:
    „Ein Zehnpiasterstück! Ist das wahr?“
    „Du siehst es ja!“
    „Das ist mir in meinem ganzen Leben noch nicht passiert, selbst in Stambul nicht. Herr, deine Sitten sind noch viel feiner, als ich dachte. Du hast die höchste Stufe der Bildung erreicht, und alle Paradiese stehen dir einst offen.“
    „So meinst du, daß dieser Paß gut sei?“
    „Er ist sehr gut. Er ist nicht falsch, wie ich anfangs befürchtete. Wollen sich deine Gefährten nicht auch legitimieren?“
    „Das ist doch nicht nötig.“
    „Inwiefern denn?“
    „Sieh dir nur meinen ‚Paß‘ genauer an! Er ist für uns alle ausgestellt.“
    „Das ist nicht gut. Der Padischah sollte den Befehl erteilen, daß ein jeder einzelne Fremde sich mit solchen Pässen zu legitimieren habe.“
    „Vielleicht tut er es später. Du bist also in Istambul gewesen?“
    „Mehrere Jahre.“
    „Seit wann bist du hier?“
    „Seit zwei Wochen erst.“
    „So ist es erklärlich, daß du diesen meinen Begleiter nicht kennst, der aus der Umgegend ist.“ Ich deutete dabei auf den Wirt. „Du siehst also, daß wir nicht alle hier fremd sind. Willst du uns nun erlauben, weiterzureisen?“
    Ganz entgegen meiner Frage hatte ich vielmehr die Absicht, noch zu bleiben. Er antwortete, wie ich erwartet hatte:
    „Sehr gern. Aber wenn es dir beliebt, kannst du auch noch ein wenig bleiben. Ich unterhalte mich gern mit Leuten, deren Benehmen mich entzückt.“
    „Ich bin über das deinige nicht weniger erfreut. Darf ich vielleicht wissen, wer derjenige war, dem du vorhin in Gedanken so eilfertig nachliefst?“
    „Ich möchte dir wohl den Gefallen tun, aber das Sprechen fällt mir sehr schwer.“
    „Das bemerke ich nicht.“
    „O doch! Wenn man in Gedanken so rennt, so gerät man in Schweiß, und die Lunge verliert den Atem. Hast du nichts, was meine heiße Zunge kühlen könnte?“
    Ich verstand ihn sehr wohl, fragte aber doch:
    „Was wendest du am liebsten an?“
    „Kaltes Metall, zum Beispiel ein wenig Silber. Das kühlt ausgezeichnet.“
    „Wie groß müßte es sein?“
    „Ein Fünfpiasterstück nur.“
    „Da kann ich dir leicht helfen. Hier ist eins!“
    Ich zog ein Fünfpiasterstück hervor und gab es ihm. Er steckte es in die Tasche, anstatt es auf seine heiße Zunge zu legen, und sagte:
    „Nun kann ich leichter reden als vorher. Es ist das ein ganz eigenes Ding. Wer es nicht weiß, der kann es nicht verstehen. Wenn man monatelang warten muß, ehe man seinen Sold erhält, so fällt einem das Leben und auch das Reden schwer, zumal wenn man solche Sprünge machen muß, wie ich. Ich habe nämlich nicht nur einen, sondern drei Verbrecher zu fangen.“
    „Das ist viel verlangt!“
    „So sehr viel, daß ich nun bereits seit heute früh hier liege und darüber nachdenke, wie ich es anfangen soll, um die Schurken zu bekommen. Ist das nicht schlimm?“
    „Sehr!“
    „Ich hoffe jedoch, daß mir dieser Tage ein guter Gedanke kommt.“
    „Wird man aber nicht vermuten, daß du hinter den Verbrechern her seist?“
    „Das bin ich doch auch!“
    „Ja, in Gedanken! Aber man wird meinen, daß du sie auch mit den Beinen verfolgst.“
    „Nein, das denkt kein vernünftiger Mensch. Wenn ich nun seit heute früh ohne Rast gelaufen wäre, so wäre ich ermattet und abgehetzt und hätte die Verbrecher doch nicht erwischt. Lieber habe ich mich hierher gelegt und dann darüber nachgedacht, wie weit sie wohl bereits gekommen sein werden.“
    „Weißt du denn nicht, wohin sie geflohen sind?“
    „Wer soll das wissen?“
    „Nicht einmal die Richtung?“
    „Es wurde gesagt, daß sie sich nach Doiran gewendet hätten. Wer aber klug genug ist, der sagt sich, daß sie es nicht verraten werden, wohin sie sich nach vollbrachter Tat wenden werden.“
    „Da hast du vollkommen recht. Hat man dir denn keine Anhaltspunkte gegeben?“
    „O doch! Sie reiten auf Schimmeln und haben hundert Pfund nebst einigen Goldsachen gestohlen. Nun sinne ich eben darüber nach, wie ich mit Hilfe dieser Schimmel und dieser hundert Pfund zu den Spitzbuben kommen kann.“
    Er sagte das mit so drolliger Selbstironie, daß ich beinahe laut aufgelacht hätte. Ich fragte weiter:
    „So sind wohl alle deine Kameraden ebenso wie du beschäftigt, über diese Schimmel nachzudenken?“
    „Das fällt ihnen

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