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15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan

15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan

Titel: 15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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nicht ein, denn sie wissen gar nichts davon.“
    „Hat der Polizeipräfekt es ihnen nicht gesagt?“
    „Nein.“
    „Also hat er sie auch nicht den Dieben nachgeschickt.“
    „Nein.“
    „Das hätte er aber doch tun sollen!“
    „Meinst du? Er ist da ganz anderer Meinung. Er ließ mich kommen, weil ich nämlich sein bester und scharfsinnigster Spürer bin, und gab mir sechs Tage Zeit, über diese Angelegenheit nachzudenken. Ich aber hoffe, es eher fertigzubringen. Darum habe ich mich in die Einsamkeit zurückgezogen und gehe nun ernstlich mit mir zu Rate. Meine Kameraden haben nichts erfahren, weil überhaupt gar nichts davon verlauten soll. Wenn die Diebe erfahren, daß wir hinter ihnen her sind, so reißen sie immer weiter aus, und wir haben dann das Nachsehen.“
    „Wenn sie aber bis dahin das Geld verbrauchen?“
    „So ist es Allahs Wille gewesen, und kein kluger Mensch wird dagegen Einwendungen erheben.“
    Ich hatte während meiner ganzen Unterredung mit ihm bemerkt, daß unser Wirt innerlich aufgeregt war. Er hatte die feste Überzeugung gehegt, der ganze vorhandene lebendige Polizeiapparat befinde sich auf den Beinen, um ihm wieder zu dem verlorenen Geld zu verhelfen. Nun aber mußte er zu seinem Erstaunen hier sehen und erfahren, daß nur ein einziger Khawaß unterrichtet worden war. Und dieser einzige hatte sogar eine Frist von mehreren Tagen erhalten, nicht etwa um die Diebe herbeizuschaffen, sondern um über die Angelegenheit nachzudenken.
    Nun hatte dieser eine sich in die Einsamkeit begeben und führte ein durch seinen Tschibuk versüßtes idyllisches Dasein. Er rannte, wie er sich behaglich ausdrückte, in Gedanken hinter den Dieben her.
    Das war dem Bestohlenen zuviel. Er hatte sich mehrere Male an dem Gespräch beteiligen wollen, war aber durch meine bittenden Blicke und Winke daran verhindert worden. Jetzt konnte er jedoch seinen Zorn nicht länger meistern. Er sprang vom Pferd, trat zu dem noch immer am Boden liegenden und an seiner Pfeife saugenden Khawassen und rief:
    „Was sagst du? Allah hat es gewollt?“
    „Ja“, antwortete der Gefragte ahnungslos.
    „Daß das Geld verbraucht werde?“
    „Wenn es verschwindet, so hat er es gewollt.“
    „So! Schön! Prächtig! Das ist ja herrlich! Weißt du denn, wo es gestohlen wurde?“
    „In Dabila, glaube ich.“
    „Das glaube ich auch. Und bei wem?“
    „Bei einem Mann, welcher Ibarek heißt.“
    „Kennst du ihn?“
    „Nein.“
    „So sollst du ihn kennenlernen!“
    „Natürlich! Wenn ich ihm die Diebe bringe.“
    „Nein! Gleich sofort sollst du ihn kennenlernen! Schau mich an! Wer mag ich sein?“
    „Das ist mir ganz gleichgültig. Und was geht dich denn diese Sache an.“
    „Viel sogar, sehr viel! Ich heiße Ibarek. Ich bin der Mann, welcher bestohlen worden ist!“
    „Du?“ fragte der Khawaß erstaunt, ohne sich nur um einen Zoll vom Platz zu rühren.
    „Ja, ich!“
    „Das ist gut! Das freut mich! Ich habe dir etwas sehr Wichtiges zu sagen.“
    „Was denn?“
    „Tue in Zukunft dein Geld niemals dahin, wo Diebe es finden können.“
    „Maschallah! Welch ein Mann! Welch ein Mensch! Effendi, was sagst du dazu? Was soll ich tun?“
    Diese zornige Frage wurde an mich gerichtet. Aber ich kam gar nicht zu einer Antwort. Mein kleiner Halef hatte sich nicht wenig über das Betragen und den Gleichmut des Polizisten geärgert. So wenig ihn die Sache persönlich anging, so war er doch ein zu cholerischer Mensch, als daß er hätte ruhig zusehen können. Er war schon lange im Sattel hin und her gerückt. Jetzt aber schwang er sich heraus und herab und antwortete statt meiner:
    „Was du tun sollst? Das werde ich dir gleich zeigen!“
    Und hart an den Khawaß herantretend, schrie er ihn wütend an:
    „Weißt du, wie man sich gegen einen fremden, vornehmen Effendi und seine Begleiter benimmt?“
    „Das weiß ich ganz genau. Warum brüllst du mich so an?“
    „Weil du es eben nicht weißt, und weil ich es dir zeigen will. Augenblicklich stehst du auf!“
    Er sagte das in gebieterischem Ton. Das Sicherheitsorgan lächelte ihm verächtlich entgegen, schüttelte den Kopf und antwortete:
    „Was sagst du, kleiner Mann?“
    Das war nun freilich die schlimmste Beleidigung für den kleinen Hadschi. Klein hatte er sich noch niemals ungestraft nennen lassen.
    „Was bin ich?“ fragte er wütend. „Ein kleiner Mann? Ich werde dir zeigen, wie hoch und lang ich bin, wenn meine Peitsche dazu gemessen wird. Steh auf, oder ich helfe dir

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