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15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan

15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan

Titel: 15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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nach!“
    Er riß die Nilhautpeitsche aus dem Gürtel.
    Jetzt wurde endlich der Gleichmut des Khawassen ins Wanken gebracht. Er setzte sich auf, erhob drohend den Arm und warnte:
    „Tu die Peitsche weg! Das kann ich nicht vertragen, Zwerg!“
    „Was? Auch ein Zwerg bin ich? Oh, der Zwerg wird dir gleich beweisen, daß du die Peitsche sehr gut vertragen kannst. Da – da – da – da – da – da – da – – –!“
    Er hatte ausgeholt, und bei jedem ‚da‘ sauste die Peitsche auf den Rücken des Mannes nieder.
    Dieser blieb noch einige Augenblicke sitzen, ganz erstarrt vor Erstaunen über die Kühnheit des Hadschi. Dann sprang er plötzlich auf, brüllte vor Wut, wie ein Stier, und warf sich mit geballten Fäusten auf Halef.
    Ich stand ganz ruhig dabei, mit dem Arm auf den Sattel meines Pferdes gelehnt. Der Khawaß war ein starker Mensch; aber es fiel mir gar nicht ein, meinem Hadschi zu Hilfe zu eilen. Ich kannte ihn zu genau. Nun er einmal die Angelegenheit in seine Hand oder vielmehr auf seine Peitsche genommen hatte, brachte er sie auch zu Ende. Jede Einmischung eines andern, auch die meinige, hätte ihn beleidigt. Und daß er trotz seiner Kleinheit mehr Körperkraft, und bedeutend mehr Gewandtheit als der Khawaß besaß, davon war ich überzeugt.
    Dieser hatte sich zwar auf ihn werfen wollen, war aber bereits nach dem ersten Schritt zurückgetaumelt, denn der Kleine empfing ihn mit Kreuzhieben, welche sich so gedankenschnell folgten, daß die Peitsche sozusagen, eine Mauer bildete, durch welche der Feind unmöglich dringen konnte. Die Hiebe sausten hageldicht auf ihn herab: auf den Rücken, auf die Achseln, auf die Arme, an die Seiten und Hüften und Schenkel. Der Mann wurde förmlich von Hieben umsponnen. Und dabei hütete sich der Kleine weislich, das Gesicht, überhaupt den Kopf zu treffen.
    Je weniger der Khawaß sich zu wehren vermochte, desto lauter wurde sein Geheul. Er stand endlich ganz still, nahm die Schläge bewegungslos hin und brüllte dabei, wie ein Tiger.
    „So!“ rief endlich Halef, indem er die Peitsche sinken ließ. „Jetzt hast du die Bezahlung für den guten Rat, welchen du vorhin dem Bestohlenen gegeben hast. Besitzt du noch mehr Weisheit in deinem Hirn, so laß sie getrost hören; der Lohn wird sofort folgen. Und willst du mich noch einmal einen Zwerg nennen, so tue es nur bald. Ich habe grad noch übrige Zeit, die Auszahlung fortzusetzen!“
    Der Khawaß antwortete nicht. Er wand sich unter den Schmerzen, welche er fühlte. Seine Blicke hingen voller Wut an dem Kleinen. Nur einige unartikulierte Laute ließ er hören. Dann schien er sich plötzlich auf die vorhin von ihm erwähnte Würde seines Amtes und Standes zu besinnen. Er richtete sich hoch auf und rief:
    „Mensch, du mußt verrückt sein! Wie kannst du einen Khawassen des Großherrn schlagen?“
    „Sei still! Ich würde selbst den Großherrn durchprügeln, wenn er es wagte, sich so gegen uns zu benehmen, wie du. Was bist du denn eigentlich? Ein Soldat, ein Polizist, ein Diener jedes Untertanen! Weiter bist du nichts, gar nichts!“
    Es hatte den Anschein, als ob er große Lust spüre, die Peitsche wieder in Bewegung zu setzen. Dazu wollte der Gezüchtigte es nicht kommen lassen und erwiderte:
    „Immer Schimpf! Mich kannst du nicht beleidigen. Unsere Instruktion gebietet uns, Nachsicht mit dem Volk zu haben, wenn – – –“
    „Mit welchem Volk?“ unterbrach ihn der Hadschi. „Sind wir etwa Volk?“
    „Was denn?“
    „Was denn? Bist du blind? Schau mich an! Ist es mir etwa nicht anzusehen, wer ich bin?“
    „Ich sehe nichts!“
    „So bist du wirklich blind und dumm. Ich will dir sagen, wer ich bin. Ich bin nämlich Hadschi Halef Omar Ben Hadschi Dawud al Gossarah! Wie aber ist dein Name?“
    „Ich heiße Selim.“
    „Selim! Weiter nicht?“
    „Wie soll ich sonst noch heißen? Selim genügt.“
    „Selim genügt! Ja, dir mag es genügen, dir, der du ein Khawaß bist und weiter nichts!“
    Der Polizist wußte wohl schwerlich, daß die freien Araber die Gewohnheit haben, ihrem eigenen Namen die Namen ihrer Vorfahren beizufügen. Je länger dann so ein Name wird, desto größer ist der Stolz, mit welchem er von dem Betreffenden getragen wird.
    „Meinst du denn, daß ein Khawaß so ganz und gar nichts ist?“ rief er nun.
    „Schweig!“ antwortete der Kleine. „Ein Khawaß, der nur Selim heißt, darf gar nichts sagen. Schau her, was für andere Leute hier stehen!“
    Er deutete auf Omar und fuhr

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