15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan
nicht!“ bat er sie. „Wir sind frei!“
Er nahm sie in die Arme und küßte ihr die Tränen von den Wangen. Sie umschlang ihn und schluchzte weiter. Ohne mich jetzt zu beachten, sprach er ihr beruhigend zu, bis ihr leiser und leiser werdendes Weinen ganz aufgehört hatte. Dann richtete er sie auf und wendete sich wieder zu mir, da ich unterdessen beschäftigt gewesen war, das Licht mittels neu aufgesteckter Späne zu unterhalten.
„Herr“, sagte er, „du bist unser Befreier, unser Retter. Wie sollen wir dir danken! Wer bist du, und wie ist es dir gelungen, uns zu finden?“
„Das sind mehrere Fragen“, antwortete ich, „die ich euch oben beantworten werde. Kann deine Frau jetzt wieder gehen?“
„Ja sie wird es können.“
„So laß uns nach oben steigen, ich darf nicht zu lange unten sein.“
„Hast du Gefährten oben?“
„Nein. Aber ich erwarte einen Reiter, den ich nicht hier vorüberlassen darf.“
„So wollen wir hinauf; dann können wir weiter sprechen!“
Ich lehnte die Leiter an und wir stiegen hinauf, die Frau allerdings mit sichtlicher Anstrengung. Ich hatte ein Lager bemerkt, welches sich in der größeren Abteilung befand, und riet ihr, sich von der gehabten Aufregung auszuruhen. Sie war so angegriffen, daß sie, ohne mir zu antworten, sich sogleich niederlegte.
Er beruhigte sie abermals durch einige Worte und streckte mir dann die Hand entgegen.
„Sei willkommen!“ sagte er. „Allah hat dich gesandt. Darf ich erfahren, wer du bist?“
„Ich habe jetzt keine Zeit zu vielen Worten. Sage du mir aber, wie du heißt?“
„Man nennt mich Schimin.“
„So bist du der Bruder von Jafiz, dem Gärtner?“
„Ja.“
„Das ist gut! Ich habe dich gesucht. Mache schnell Feuer in deiner Schmiede!“
Er blickte mich überrascht an und fragte:
„Hast du eine dringende Arbeit für mich?“
„Nein; aber dein Herdfeuer soll über die Straße leuchten.“
„Warum?“
„Damit der Reiter, von dem ich sprach, nicht vorüber kann, ohne von uns gesehen zu werden.“
„Wer ist er?“
„Nachher, nachher! Beeile dich!“
Aus der kleinen Abteilung, in der sich die Kellertür befand, die wir natürlich wieder zugemacht hatten, führte die Haustür in das Freie. Sie war durch einen einfachen Holzriegel verschlossen. Wir schoben diesen zurück und traten hinaus. Er zog einen Schlüssel aus der Tasche und öffnete das an der Tür zur Schmiede hängende Vorlegeschloß. Bald brannte auf dem Herd ein Feuer, das seinen Schein weit in die Nacht hinaus warf. Das war es, was ich zunächst gewollt hatte.
Während er sich mit dem Herd beschäftigt hatte, war ich hinter das Haus gegangen, um nach meinem Pferd zu sehen. Es befand sich noch in nächster Nähe des Hauses, und ich kehrte beruhigt zu dem Schmied zurück.
„Da brennt das Feuer“, sagte er. „Was befiehlst du noch?“
„Komm fort, aus dem Bereich des Lichtscheines! Wir wollen uns hier neben die Tür setzen, wo es dunkel ist.“
Ich hatte nämlich vorhin beim Rekognoszieren einen Holzklotz bemerkt, der in der Nähe der Tür lag und jedenfalls als Ruhebank diente. Dorthin zog ich den Mann. Wir setzten uns nebeneinander, und dann sagte ich:
„Besprechen wir zunächst das Notwendige! Es wird – vielleicht sehr bald – ein Reiter hier vorüber kommen, mit dem ich zu reden habe, ohne daß er vorher meine Anwesenheit ahnen darf. Er wird höchst wahrscheinlich hier anhalten, um dir einige Fragen vorzulegen. Ich bitte dich, ihn so weit zu bringen, daß er absteigt und mit dir in das Haus tritt.“
„Du bist mein Retter; ich werde tun, was du verlangst, auch ohne zu wissen, warum du es von mir forderst. Aber weißt du vielleicht, welche Fragen er aussprechen wird?“
„Ja. Er wird fragen, ob hier drei Reiter vorüber gekommen sind.“
„Drei Reiter?“ fragte er rasch. „Wann?“
„Wohl heute am Vormittag.“
„Was für Reiter?“
„Er fragt nach zwei weißen und einem dunklen Pferd. Sie haben aber unterwegs das letztere gegen einen Schimmel vertauscht.“
„Also reiten sie drei Schimmel?“
„Ja.“
„Hascha – Gott behüte! Du meinst doch nicht etwa diesen Manach el Barscha aus Uskub?“
Er war bei diesen Worten in plötzlicher Erregung von seinem Sitz aufgesprungen. Im nächsten Augenblick stand auch ich auf den Beinen, so sehr hatte seine Frage mich frappiert. Sie kam mir ganz unerwartet.
„Kennst du ihn?“ erkundigte ich mich.
„Tschokdan, tschokdan – schon längst, seit langer Zeit! Und erst heute
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