15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan
er.
„Und wer noch?“
„Ich weiß es nicht.“
„Was tun sie denn?“
„Weiß ich es, Herr? Ich höre sie ächzen. Ich befürchte, daß ihr ein Unglück zugestoßen ist. Ich möchte ihr helfen; aber ich bin der Bräutigam und darf nicht zu ihr gehen.“
„Denkst du, daß ich hinein dürfte?“
„Ja. Du bist ein Christ. Du kannst keine Tochter dieses Landes heiraten. Du hast auch schon ihr Angesicht gesehen. Du wirst also die Holde nicht beschämen, wenn du zu ihr gehst.“
„So werde ich nachsehen.“
„Tu es! Aber rühre sie nicht an, Effendi. Sie wird mein Weib, und diejenige, welche an meinem Herzen wohnen soll, darf nicht mit der Hand eines andern in Berührung kommen.“
„Habe keine Sorge! Die Schönste in Rumili hat von mir nichts zu befürchten.“
Ich ging also in den Nebenraum. Dort saß Ikbala, auf deutsch die ‚Glückbringende‘, auf der ebenen Erde. Zu ihrer Rechten stand ein backtrogähnliches Gefäß, in welchem sich ein eigenartig gefärbter Teig befand. Ihre beiden Arme waren bis über die Ellenbogen herauf mit dieser Masse bedeckt. Soeben hatte sie ein mehrere Pfund schweres Stück dieses Teigs aus dem Backtrog herausgerissen und versuchte, demselben eine kugelrunde Form zu geben. Dies geschah dadurch, daß sie es in der einen Hand drehte und mit der andern hohl gehaltenen Hand aus allen Kräften darauf klopfte. Das waren die Ohrfeigen, welche ich gehört hatte.
Sie widmete diesem Geschäft eine solche Hingebung, daß ihr der Schweiß aus allen Poren rann. Ihr ganzes Gesicht war hochrot und tropfnaß.
„Was tust du hier?“ fragte ich sie.
„Ich backe“, antwortete sie wichtig.
„Was?“
„Kanonenkugeln.“
„Für wen?“
„Für euch natürlich, die ihr unsere Gäste seid.“
„Wie schmecken diese Kugeln?“
„Wie eine Delikatesse des Paradieses.“
„Was hast du dazu genommen?“
„Vielerlei: Mehl, Wasser, Rosinen, Mandeln, Olivenöl, Salz, türkischen Pfeffer und allerlei wohlriechende Kräuter.“
„Wie lange währt es, bis sie fertig sind?“
„Wenn die Ziege gebraten ist, dann werden sie in dem Fett derselben und in dem Reis gedämpft.“
„Das wird ein Vorgeschmack der sieben Himmel!“
„Ja. Koste einmal den Teig! Du wirst noch nie so etwas gegessen haben.“
Sie langte mit den Fingern in den Trog, zog sie voll von Teig wieder hervor und streckte sie mir unter einem holden Lächeln entgegen.
„Ich danke dir, du Blume der Gastfreundlichkeit! Wenn ich jetzt schon kostete, würde ich mir das Entzücken verderben, mit welchem ich später von den Kanonenkugeln genießen werde.“
„Nimm doch nur! Du bist der Schöpfer meines Glückes. Nur dir allein habe ich es zu danken, daß der Sinn des Vaters sich so schnell geändert hat.“
Sie winkte mir dringlich zu. Ich aber wehrte so eifrig ab, daß sie endlich verzichtete und nun die Finger zu dem eigenen Mund führte, um sie schmatzend von dem Teig zu befreien.
Rosinen, Mandeln, Speiseöl, türkischer Pfeffer! Das gab jedenfalls einen entsetzlichen Geschmack. Dazu von dem Wasser, vor welchem es mich geschüttelt hatte. Und allerlei Kräuter. O weh! Sahaf! Edler Sahaf, wie wird dein Magen in einigen Monaten beschaffen sein!
Er war sehr erfreut von mir zu hören, daß die Auserwählte seines Herzens sich in keiner Gefahr befand. Übrigens war jetzt der Schmied zurückgekehrt, und in demselben Augenblick sprang draußen ein Reiter vom Pferd, und in welchem ich einen der Leute erkannte, welche wir in der Hütte des Bettlers belagert hatten. Ich hörte ihn nach mir fragen und ging hinaus zu ihm. Er führte mich zur Seite und sagte:
„Herr, du bist großmütig gegen uns gewesen und du bist auch reich. Ich habe etwas mitzuteilen.“
„So sprich!“
„Was gibst du mir dafür?“
„Ich weiß nicht, ob das, was du mir sagen willst, einen Wert für mich hat.“
„O, einen sehr großen!“
„Inwiefern?“
„Du befindest dich in Lebensgefahr.“
„Das glaube ich nicht.“
„Wenn ich es dir sage, so ist es wahr.“
„Grad weil du es mir sagst, ist es nicht wahr.“
Er blickte mich ganz erstaunt an und fragte:
„Glaubst du wirklich, daß ich dich belüge?“
„Ja. Ihr habt mich töten und berauben wollen. Mörder aber und Räuber sind doch wohl auch der Lüge fähig.“
„Aber jetzt meine ich es gut mit dir und sage die Wahrheit.“
„Nein. Wenn ich mich wirklich in Lebensgefahr befände, würdest du es mir nicht sagen.“
„Warum?“
„Weil du dich damit selbst in eine
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