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15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan

15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan

Titel: 15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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vom Pferd stieg, sah ich ein blutiges, frisches Fell an einem Pfahl hängen, und zugleich drang Bratengeruch in meine Nase. Das Fell war bis vor wenigen Minuten die Staatskleidung eines Ziegenbocks gewesen. Brr!
    An der einen Giebelseite des Hauses, da wo der Luftzug sich am wenigsten bemerkbar machte, fand ich den Färber und sein Ehegespons beschäftigt – womit?
    Am Boden stand ein hölzernes, niedriges Gefäß, ein solches, wie man es je nach der Gegend Deutschlands ein Schaff, Schäffel, Stutz usw. nennt. Über den Rand desselben waren drei starke Drähte gelegt. An dem mittleren Draht steckte der heimgegangene, doch leider nicht zu seinen Vätern versammelte Ziegenbock. Die Hörner hatte er noch am Kopf. Über seinen Leib und über die andern beiden Drähte hinweg hatte man Holzscheite gelegt, darauf gedörrten Kuhmist, was der Mongole Arkols nennt, dann wieder Holz und wieder Dünger, und hierauf war dieser Scheiterhaufen in Brand gesteckt worden. Der Ziegenbock wurde oben schwarz angekohlt; darunter briet er, und weiter abwärts blieb sein Fleisch und Gemüt von der Wärme unberührt. Aus der bratenden Schicht aber tropfte das Fett in einsamen, schauderhaft langweiligen Intervallen auf den Boden des Gefäßes, wo ich eine Schicht Reis liegen sah. Die Seitenwände dieser wunderbaren Bratpfanne aber waren so schön krapprot gefärbt, wie französische Militärhosen, und ich konnte mir beim besten Willen nicht helfen, ich mußte an die roten Hände der dicken Tschileka denken, an den in allen Farben schimmernden Mantel ihres Mannes, und da kam mir der Verdacht, daß das gegenwärtige Bratgefäß zu anderer Zeit doch wohl als Farbenkübel gebraucht werde.
    „Wo warst du, Herr?“ fragte der Dicke. „Gut, daß du da bist. Ich habe euch zu Ehren eine zarte saftige Ziege geschlachtet. Der Nachbar verkaufte sie mir.“
    „Kommt dir diese Ziege nicht sehr männlich vor?“ bemerkte ich.
    „O nein! Was denkst du, Herr!“
    „Prüfe einmal den Duft! Dein Nachbar hat sich vergriffen und dir einen Bock gegeben.“
    „Das tut mein Nachbar nicht.“
    „Das Fleisch verbrennt. Willst du nicht vielleicht den Braten wenden?“
    „Ah, Herr, man merkt, daß du ein Fremder bist! Ich würde dem Fleisch den Hochgeschmack nehmen.“
    „Wird der Reis von den Fettropfen weich?“
    „Das darf er ja gar nicht. Kennst du nicht das Sprichwort: ‚Der Pilaw muß schnurpsen, prasseln?‘ Weich schmeckt er nicht.“
    „Scheint es nicht, als ob von dem Brennmaterial einiges in den Reis falle?“
    „Das tut nichts. Siehe, ich nehme es ja wieder heraus.“
    Er langte mit den Fingern hinein und gab sich Mühe, die Spuren des Mistes aus dem Reis zu entfernen. Ich gedachte unwillkürlich meiner holden Mersinah in Amadijah, welche sich ihre Triefaugen mit Zwiebeln wischte. Von wem war wohl leichter zu essen, von ihr oder von diesem beleibten, krapproten Ehepaar hier in Dschnibaschlü?
    Ich verzichtete, weiter in die Küchengeheimnisse der Färbersleute einzudringen und zog mich schaudernd in das Haus zurück.
    Unter der Tür des Wohnraumes kam mir Halef entgegen.
    „Da bist du, Sihdi!“ sagte er erfreut. „Es dauerte mir zu lange. Ich wollte eben das Pferd besteigen.“
    „Du siehst, daß mir nichts geschehen ist. Womit habt ihr euch bisher unterhalten?“
    „O, wir haben keine Langeweile gehabt. Ich bin mit dem Wirt auf den Ziegenhandel gegangen, da gab es sehr viel Spaß. Er wollte die Ziege geschenkt haben, weil sie für einen so vornehmen Herrn bestimmt sei, welchen der ganze Ort als Gast zu betrachten habe. Darüber gab es einen solchen Streit, daß selbst der Kiaja geholt werden mußte.“
    „Wer ist denn dieser vornehme Herr?“
    „Du bist es; wer soll es denn sonst sein? Etwa ich?“
    „Ah so!Und für mich wäre diese Ziege bestimmt?“
    „Ja.“
    „Du meinst doch nicht die Ziege, welche ein Bock ist?“
    „Ziege oder Bock – das ist gleichgültig, Sihdi; der Braten wird uns doch schmecken.“
    „Ich wünsche guten Appetit! – Gehen wir in die Stube!“
    Drin wollte ich eben Platz nehmen, als ich im Nebenraum, welcher für die Damen bestimmt zu sein schien, ein ganz eigentümliches Geräusch vernahm. Es war, als ob jemand recht kräftige Ohrfeigen erhielte, und dazu ließ sich ein Stöhnen und Seufzen vernehmen, welches mich für die Person oder auch für die Personen, welche sich dort befanden, besorgt werden ließ.
    „Wer ist da drin?“ fragte ich den Sahaf.
    „Ikbala, der Stern meiner Augen“, antwortete

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