15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan
sagte nur noch:
„Du willst fort? Magst du nicht hier einkehren? Du weißt ja, daß ein Fest gefeiert wird.“
„Zu solchen Festen habe ich keine Zeit. Also du gibst nichts?“
Sein Auge war fast drohend auf mich gerichtet.
„Nein.“
„Reisest du noch heute hier ab?“
Es war sehr albern von ihm, diese Frage auszusprechen. Er verriet mir damit doch nur seine feindselige Absicht. Er hatte Geld verdienen wollen; er hatte nichts erhalten und war nun zu jeder Feindseligkeit fähig.
„Glaubst du, daß ich dem Schmaus entsage, welcher uns bevorsteht?“ antwortete ich. „Auch müssen unsere Pferde ruhen, ehe sie weiter können.“
„So segne dich Allah so, wie du mich gesegnet hast!“
Jetzt stieg er in den Sattel und ritt davon.
Hinter dem Eingang stieß ich auf Halef, dem ich es gleich ansah, daß er sich hier verborgen gehalten hatte. Die Flamme des in der Mauer steckenden, mit Pech bestrichenen Spanes ließ mich deutlich erkennen, daß er zornig war.
„Sihdi, warum läßt du ihn fort?“ fragte er.
„Er nützt mir hier nichts.“
„Aber anderswo schadet er dir!“
„Du hast seine letzten Worte gehört?“
„Leider nur die letzten. Ich stellte mich hierher, um über dich zu wachen. Ich konnte euch sehen, aber nicht hören. Aber zuletzt erfuhr ich doch, daß er Geld haben wollte. Wofür?“
„Komm heraus ins Freie. Es braucht kein anderer zu hören, was wir miteinander sprechen.“
Ich erzählte ihm, was ich erfahren und vermutet hatte.
„Man will uns überfallen“, sagte er.
„Vielleicht auch nicht, lieber Halef.“
„Was denn sonst? Warum reitet dieser Bettler, welcher kein Bettler ist, uns voran?“
„Vielleicht oder jedenfalls soll er die Anverwandten Mosklans und Deselims gegen uns aufhetzen. Kommen wir dann nach Palatza oder gar nach Ismilan, so haben wir auf einen Empfang zu warten, der uns nicht sehr angenehm sein dürfte.“
„So schlagen wir einen anderen Weg ein.“
„Das möchte ich nicht. Erstens will ich unseren Flüchtlingen auf der Fährte bleiben, und zweitens denke ich, daß wir grad in Ismilan und im Hause Deselims vieles erfahren können, was uns von Nutzen ist.“
„Wenn man uns als Feinde empfängt, werden wir gar nichts erfahren. Es ist sogar möglich, daß wir als Mörder verhaftet werden sollen.“
„Deshalb will ich diesem Bettler zuvorkommen.“
„Du? – Wie denn?“
„Ich werde eher dort sein, als er.“
„Sihdi, was fällt dir ein! Du willst doch nicht etwa auch in dieser Nacht uns voran reiten?“
„Grad das will ich.“
„Das geht nicht.“
„Pah, es geht.“
„Ich lasse dich nicht fort! Bedenke, in welche Gefahr du heute gekommen bist, weil ich mich nicht bei dir befand!“
„Du hast mich doch gerettet und würdest mich auch morgen wieder retten, wenn es notwendig wäre.“
Das schmeichelte dem braven Hadschi.
„Meinst du?“ fragte er in selbstgefälligem Ton.
„Ja, gewiß. Ich will dir sagen, was ich mir vorgenommen habe. Ihr übernachtet bei dem Schmied und brecht am frühen Morgen auf. Ihr schlagt eine andere Tour ein, als wir uns vorgenommen hatten. Ihr reitet von Koschikawak über Mastanly, Stajanowa und Topoklu nach Ismilan; ich reite jetzt südlicher über Göldschik, Maden und Palatza.“
„Warum über diese Orte?“
„Weil dies die Tour ist, welche der Bettler von Usu-Dere eingeschlagen hat.“
„Es ist rabenschwarze Nacht. Du wirst dich verirren.“
„Ich hoffe, daß ich nicht vom Weg abkomme.“
„Aber der Bettler hat einen großen Vorsprung!“
„Rih ist schnell; ich werde ihn überholen.“
„Und dabei den Hals brechen in dieser Finsternis!“
„Wollen sehen! In Ismilan angekommen, reitet ihr zu dem Kaffeehaus des Waffenschmiedes Deselim. Es liegt in der Gasse, welche nach dem Dorf Tschatak führt. Dort werdet ihr mich finden.“
„Und bist du nicht da –?“
„So wartet ihr.“
„Und wenn du doch nicht kommst?“
„So reitest du mir am andern Morgen bis Palatza entgegen. Es ist möglich, daß ich dort wegen Mosklan aufgehalten werde.“
„Wo finde ich dich dort?“
„Das weiß ich jetzt natürlich noch nicht. Aber das Dorf ist klein, und so wird eine einzige Frage nach mir genügen.“
Er gab sich alle mögliche Mühe, mich von meinem Vorsatz abzubringen; ich blieb aber fest.
Als dann die anderen erfuhren, daß ich sie verlassen wolle, traf ich auf einen Widerstand, dem ich kaum gewachsen war. Ikbala und ihre Mutter Tschileka schlugen die Hände über den Köpfen zusammen,
Weitere Kostenlose Bücher