15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan
gehalten?“
„Ja, ich bringe dir den Heißersehnten mit.“
„Wo? Wo?“
„Hier!“
Dabei deutete ich auf den kleinen Hadschi, der hinter mir eingetreten war. Die anderen waren noch nicht zu sehen.
„Inkali min hon – geh' zum Teufel!“ fiel Halef sofort ein, glücklicherweise in seinem arabischen Dialekt, den sie nicht verstand.
Sie aber meinte bestürzt:
„Dieser da?“
„Ja, du süße Tochter der roten Farbe.“
„Den kenne ich doch gar nicht!“
„Aber er will dir sein Leben weihen! Doch – da kommt noch einer. Wähle zwischen diesen beiden!“
Der Sahaf hatte sich hinter Halef hereingedrängt. Sie blickte ihren Vater verlegen und fragend an.
„Hangy bil-ir-sen – welchen kennst du denn?“ fragte dieser lachend.
„Bonu – diesen“, antwortete sie, auf den Sahaf zeigend.
„Sana elwerir dir – ist er dir genügend?“
„Ewwet, tamam bütün, – ja vollständig!“
„Onu al – nimm ihn!“
Da legte sie die Hände vor das Gesicht, stieß ein lautes Schluchzen aus, ob vor Scham oder vor Entzücken, das war unmöglich zu sagen, dann floh sie durch die Tür zurück, aus der sie gekommen war.
„Herr, siehst du, welch ein Unglück du angerichtet hast!“ sagte der Bäcker zu mir, halb besorgt, halb lachend.
„Sende ihr das Glück nach!“
„Wo ist es denn?“
„Da steht es!“
Ich zeigte auf den Sahaf.
„Das geht nicht“, antwortete er kopfschüttelnd. „Kein Jüngling darf vor dem Tag der Hochzeit mit einer Jungfrau sich allein befinden!“
Der Gute ahnte nicht, daß seine Ikbala sich bereits so oft mit ihrem treuen Ali unter vier Augen befunden hatte, da draußen hinter dem Haus, unter dem Schutz der verschwiegenen Tschileka und des noch verschwiegeneren Mondscheins.
„So gehe mit ihm!“ riet ich.
„Ich habe keine Zeit.“
„Kann nicht Tschileka ihn begleiten?“
„Auch diese nicht. Ihr seid unsere Gäste und sollt verpflegt werden. Da haben wir zu tun.“
Verpflegt? Wollte er uns etwa speisen und tränken? Womit? Den Delikatessen, die ich bereits kennengelernt hatte? O weh! Ich beeilte mich also, die schleunige Bemerkung zu machen:
„Laß dir an unserm Gruß genügen! Meine Zeit ist mir sehr kurz gemessen. Ich muß abreisen.“
„Herr, das wirst du mir doch nicht antun! Sieh, der Tag ist beinahe zu Ende. Wohin willst du denn noch reisen?“
Er hatte recht. Es war schon spät am Nachmittag. Und da fragte auch Halef leise:
„Willst du wirklich heute noch fort, Sihdi?“
„Es ist fast unumgänglich notwendig.“
„Allein? – Ohne uns?“
„Das möchte ich doch nicht wieder wagen.“
„So bedenke, daß wir stets im Sattel gewesen sind und daß unsere Pferde der Ruhe bedürfen.“
„Nun gut, so bleiben wir noch einige Zeit hier, und in der Nacht schlafen wir bei Schimin, meinem Freund.“
Da stieß der wackere Schmied einen Freudenruf aus und sagte, mir die Hand entgegenstreckend:
„O, Effendi, du glaubst nicht, was du mir für eine Freude bereitest!“
„Ich weiß es.“
„Du hast mich deinen Freund genannt!“
„Das bist du auch. Du hast es mir bewiesen. Wenn ich längst in mein Land zurückgekehrt bin, so wirst auch du zu denen gehören, deren ich stets und gern in Liebe gedenken werde.“
„Das muß ich meinem Weib sagen. Ach, wüßte ich, wie sie sich befindet!“
„Du hast dir ein Pferd geborgt und mußt es abgeben. Nimm das meinige; sieh nach deiner Gefährtin und komm dann wieder zurück.“
„Das sei ferne von mir! Ein solches Pferd darf nur einer reiten, der dieses Tieres würdig ist. Ich werde leicht ein anderes bekommen und kehre dann sogleich zurück.“
Er ging. Mir war dies auch recht, da ich meinen Rappen doch eigentlich notwendig brauchte. Zu unserer Sicherheit mußte ich erfahren, was mittlerweile in der Hütte des Bettlers geschehen war. Als sich alle gesetzt hatten und der Färber mit den Seinen beschäftigt war, die versprochene ‚Bewirtung‘ einzuleiten, sagte ich darum zu Halef:
„Habe keine Sorge, wenn ich mich jetzt entferne! Ich will sehen, was mit Mosklan geschehen ist.“
„Bist du toll, Sihdi! Du willst zur Hütte zurück?“
„Ja.“
„Man wird dich töten!“
„Pah! Jetzt kann man mich nicht wieder überraschen. Übrigens bin ich überzeugt, daß die Hütte leer ist. Man wird Mosklan fortgeschafft haben, damit wir ihn etwaigenfalls nicht finden können.“
„Er hat dich doch eigentlich gar nicht zu fürchten. Du hattest kein Recht, ihn einzusperren.“
„Das ist wahr.
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