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15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan

15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan

Titel: 15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Hadschi hatte eben grad einmal seine unbescheidene Stunde. Fünfzig Mark sind für einen ‚Freund und Beschützer seines Effendi‘ freilich nicht sehr viel, als Bakschisch für einen Diener aber doch sehr reichlich bemessen.
    Ich übergehe den Abschied, welcher noch einige wunderliche Szenen bot. Der Färber drückte mir die Rechte, und seine Tochter reichte mir die Linke. Die gute Tschileka weinte sogar einige Tränen schmerzlicher Rührung. Als ich schon zu Pferd saß, kam auch der Gehilfe herbei und streckte mir die Hand entgegen. Sollte ich sie ihm zum Abschied drücken, oder wollte er ein Bakschisch? Meine Peitsche pflegte besser am Sattel zu hängen, als diejenige des tapferen Hadschi Halef Omar; jetzt aber hatte ich sie blitzschnell in der Hand und zog dem Halunken ein paar solche Hiebe über den Rücken, daß er sich mit einem raschen Sprung hinter seine dicke Herrin retirierte.
    „O jazik! Bu biberlemer – O wehe? Das pfeffert!“ rief er aus, mit der Hand nach der Kehrseite greifend.
    „Tuz daha, arzussundscha – wünschest du auch Salz?“ fragte ich.
    Sofort war der Hadschi hinter ihm, nahm die Peitsche vom Gürtel und fragte:
    „Soll ich salzen? Er hat es verdient!“
    „Boghul-dim – ich bin verduftet!“ rief der Bedrohte und verschwand eiligst hinter der Ecke des Hauses.
    Nun brachen wir auf.

VIERTES KAPITEL
    Alte Bekanntschaft
    Es war eine dunkle Nacht, grad so finster wie die vorige. Nur wenige Sterne blinzelten matt am Firmament. Erst jetzt sah ich ein, daß es ein kühnes Unterfangen von mir war, in solcher Nacht in so unbekannter Gegend zu reiten, und zwar so schnell, wie es nötig war, um den Bettler einzuholen oder gar ihm zuvorzukommen.
    Eine Viertelstunde lang ritten wir schweigend nebeneinander her. Ein jeder gab seinen eigenen Gedanken im stillen Audienz. Wir hatten keinen Weg, sondern das freie Feld unter uns. Rih machte sich nichts daraus; seine Augen waren selbst an solches Dunkel gewöhnt.
    Jetzt fragte Schimin:
    „Herr, erinnerst du dich unseres Gespräches, welches leider unterbrochen wurde, als dieser Mosklan kam? Wir saßen neben der Tür meines Hauses.“
    „Noch sehr genau.“
    „Du wolltest mir beweisen, daß ihr Christen besser seid, als ich dachte.“
    „Es gibt gute und böse Menschen überall, also auch unter den Christen und unter den Moslemim. Nicht von den Christen wollte ich sprechen, sondern von dem Christentum.“
    „Du meinst, daß es besser sei, als unsere Lehre?“
    „Ja.“
    „Das zu beweisen, wird dir schwer werden!“
    „O nein. Nimm den Koran und unsere Bibel her, und vergleiche beide! Die herrlichsten Offenbarungen sind eurem Propheten aus unserem Buch gekommen. Er hat geschöpft aus den Lehren des alten und neuen Testamentes und diese Lehren für die damaligen Verhältnisse seines Volkes und seines Landes verarbeitet. Diese Verhältnisse haben sich verändert. Der wilde Araber ist nicht mehr der einzige Bekenner des Islams; darum ist der Islam jetzt für euch zur Zwangsjacke geworden, unter deren Druck ihr hilflos leidet. Unser Heiland brachte uns die Lehre der Liebe und der Versöhnung; sie ist nicht aus den Gewohnheiten eines kleinen Wüstenvolkes gefolgert; sie ist aus Gott geflossen, der die Liebe ist; sie ist ewig und allgegenwärtig; sie umfaßt alle Menschen und alle Erden und Sonnen; sie kann nie drücken, sondern nur beseligen. Sie streitet nicht mit dem Schwert, sondern mit der Gnade. Sie treibt die Völker nicht mit der Peitsche zusammen, sondern sie ruft sie mit der Stimme einer liebenden Mutter, welche ihre Kinder an ihrem Herzen vereinigen will.“
    „Du sprichst von Liebe, und dennoch fehlt sie euch!“
    „Wirfst du die ganze Ernte weg, weil einige Früchte vom Wurm zernagt sind?“
    „Warum aber wächst grad bei uns nicht der Weizen des Christentums, sondern das Unkraut?“
    „Ist es wirklich so? So schlimm? Nun, dann mußt du wissen, daß das Unkraut am allerbesten auf schlechtem Boden gedeiht. Du gibst damit dem Islam ein schlechtes Zeugnis, denn er würde dieser schlechte Boden sein. Wir sind allein, und wir haben Zeit. Soll ich dir von Christus erzählen, von den Propheten, die ihn verkündigten, und von den Wundern, die er verrichtete?“
    „Erzähle! Beweise, daß er größer ist, als Mohammed! Dir kann ich zuhören, ohne mein Gewissen zu beschweren. Du bist kein Proselytenmacher, der mich verführen will. Du kennst den Islam und das Christentum; du willst mich nicht verlocken, sondern wirst mir die Wahrheit

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