15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan
größten Reichtum, den die Erde bietet, nämlich den Weg zur Seligkeit. Der heilige Apostel sagt, man solle in dieser Schrift suchen und forschen, da sie das ewige Leben enthalte. Mögest du dir dieses Leben daraus erforschen! Das wünsche ich dir von ganzem Herzen.“
Ich hatte wirklich Mühe, seinen Danksagungen ein Ende zu machen. Er hätte dieselben wohl noch länger fortgesetzt, wenn er nicht auch von anderer Seite darin gestört worden wäre.
Wir hatten die Ebene wieder erreicht und bemerkten, daß wir uns auf einem ziemlich gebahnten Pfad befanden, das heißt, was man dort gebahnt nennt.
„Dies ist der Weg von Usu-Dere nach Maden“, erklärte Schimin, indem er seine Dankesrede unterbrach.
Zu gleicher Zeit griff ich ihm in die Zügel.
„Halt! Horch! Es war mir, als hörte ich da vor uns ein Pferd schnauben.“
„Ich habe nichts gehört und vernehme auch jetzt noch nichts.“
„Der Boden ist weich und dämpft den Schall des Hufschlages. Aber mein Pferd legt die Ohren nach vorn und zieht die Luft prüfend durch die Nüstern. Das ist ein sicheres Zeichen, daß wir jemand vor uns haben. Horch!“
„Ja, jetzt hörte ich es. Es trat ein Pferd auf einen Stein und rutschte von demselben ab. Wer mag so spät in dieser einsamen Gegend reiten?“
„Vielleicht ist's der Bettler.“
„Das ist sehr unwahrscheinlich.“
„Warum?“
„Dann müßte er sehr spät erst aufgebrochen sein.“
„Warum sollte sich dies nicht denken lassen?“
„Er will doch vor dir ankommen!“
„Nun er hat sich gesagt, daß ich jedenfalls erst am Morgen aufbrechen würde, und so hat er keine Eile gehabt. Können wir ihn hier umreiten, so daß er gar nicht merkt, daß ich schon vor ihm bin?“
„Ganz gut; aber das rate ich dir nicht.“
„Freilich wohl! Wenn wir einen Bogen reiten, so daß wir ihn dann hinter uns haben, wissen wir ja gar nicht, ob er es auch wirklich ist.“
„Darum müssen wir hin zu ihm.“
„Aber was tue ich mit ihm? Kann ich ihn hindern, seinen Weg fortzusetzen? Doch nur mit Gewalt. Ich möchte doch nicht etwa Blut vergießen!“
„Das ist nicht nötig, Herr. Überlasse ihn mir.“
„In welcher Weise?“
„Du zwingst ihn, umzukehren, und ich tue dasselbe. Ich bleibe ihm zur Seite und nehme ihn mit nach Koschikawak. Er soll mir nicht entkommen.“
„Wenn er dich nun nach dem Recht fragt, welches du dir über ihn anmaßest?“
„Habe ich es etwa nicht? Hat er dich nicht ermorden wollen, Effendi?“
„Das mag allerdings einen Grund abgeben. Aber du wirst in ihm einen Feind bekommen, welcher bestrebt sein wird, sich an dir zu rächen.“
„Ich fürchte ihn nicht. Er ist bereits mein Feind. Er ist der Feind aller ehrlichen Leute. Du mußt mir erlauben, dir gefällig zu sein, und brauchst dir dabei keine Sorge um mich zu machen. Ist er es wirklich, so nehmen wir ihn fest und sagen uns lebewohl, ohne daß er zu hören braucht, wohin du reitest.“
„Wie ist der Weg von hier bis Maden?“
„Du bleibst immer auf diesem Pfade und bist in einer halben Stunde dort. Von hier aus kannst du gar nicht irren. Ich wollte noch wegen der Koptscha mit dir sprechen; aber dein kleiner Hadschi hat eine, und du hast diejenige des Ismilaners genommen. Diese beiden genügen. Jetzt komm, Effendi.“
Er setzte sein Pferd wieder in Gang, zum Zeichen, daß er keinen Einwand von mir hören wolle. Mir konnte dies recht sein, da auf die gedachte Weise der Bettler ganz ohne Schaden für mich verhindert wurde, seine Botschaft auszurichten.
Es dauerte gar nicht lange, so waren wir dem nächtlichen Reiter so nahe gekommen, daß er uns hören mußte. Wir bemerkten, daß er schneller zu reiten begann, damit wir ihn nicht einholen sollten.
„Immer rasch nach!“ sagte der Schmied. „Saban ist kein guter Reiter. Wir holen ihn leicht ein, wenn er es wirklich ist und kein anderer.“
„Wenn er aber vom Weg weicht?“
„Er wird sich hüten. Das wagt hier niemand in so finsterer Nacht. Auch ich würde es unterlassen haben, wenn es sich nicht darum gehandelt hätte, dich zu begleiten.“
Er hatte richtig vermutet. Der Reiter merkte, daß wir schneller waren als er. Von dem Weg getraute er sich nicht abzuweichen, und so hielt er es für das beste, anzuhalten und uns zu erwarten.
Der Schmied ritt voran, und ich hielt mich so weit hinter ihm, daß meine Gestalt nicht sogleich zu erkennen war. Der Reiter war ein wenig zur Seite gewichen, um uns vorüberzulassen. Aber der Schmied hielt bei ihm an und
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