15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan
daß ich von den Kanonenkugeln und von dem Ziegenbraten nichts zu kosten haben solle. Auch der Sahaf bat mich, zu bleiben.
Diesen nahm ich noch allein beiseite und teilte ihm alles Nötige über die Teppiche mit.
„Effendi“, sagte er, „das ist gut, daß du mir dies sagst. Die anderen wissen, daß hier Verlobung ist, und werden unterdessen das Loch heimlich ausräumen wollen. Das werde ich verhindern.“
„Wirst du deinen Schwiegervater anzeigen?“
„Ja; er wird gehängt werden“, lachte er.
„Was du tust, geht mich nichts an. Bring deinem alten Vater meinen Gruß und sei unendlich glücklich mit Ikbala, der Schönsten in Rumili!“
Als Schimin, der brave Schmied, bemerkte, daß es unmöglich sei, mich zum Bleiben zu bewegen, fragte er mich nach dem Weg, den ich einschlagen wolle. Ich traute dem dicken Färber doch nicht recht und gab darum mehrere Orte an, welche zu berühren ich gar nicht im Sinn hatte. Der Schmied aber folgte mir hinaus zum Pferd, und dort teilte ich ihm meine wahre Absicht mit. Er sann einen Augenblick nach und sagte dann:
„Der Bettler wird jetzt in Usu-Dere angekommen sein. Er wird sich ein wenig verweilen und dann aufbrechen. Er wird jedenfalls nach Maden und Palatza reiten. Von hier bis Maden hast du zehn Aghatsch (Türkische Meilen, von denen 25 auf einen Breitengrad gehen.) zu machen und mußt eigentlich über Mastanly und Göldschik reiten; aber ich kenne diese Strecke und werde dir es ermöglichen, viel eher dort anzukommen. Wir reiten in ganz gerader Linie.“
„Was? Du willst mit?“
„Ja. Ich begleite dich so weit, bis ich die Überzeugung habe, daß du dich nicht mehr irren kannst.“
„Das ist sehr freundlich von dir, aber –“
„Schweig!“ fiel er ein. „Du weißt, was ich dir zu danken habe.“
„Aber ich muß sehr schnell reiten!“
„Mein Pferd ist nicht schlecht; es ist das beste des Mannes, von dem ich es mir geborgt habe. Es wird sich anstrengen müssen. Habe ich mich von dir verabschiedet, so kann ich es ja dann schonen. Ich bedaure nur, daß mein Weib das Glück, dich noch einmal zu sehen, nicht haben kann. Aber du darfst versichert sein, daß dein Andenken uns für immer im Gedächtnis bleiben wird.“
Halef war uns nachgekommen, um mich auf etwas aufmerksam zu machen, woran ich gar nicht wieder gedacht hatte, nämlich auf den Beutel, von welchem während unsers Rittes von Kabatsch nach der Hütte zurück die Rede gewesen war. Derselbe wurde hervorgenommen und beim Scheine des brennenden Spanes auf seinen Inhalt geprüft.
Es befanden sich in demselben hundert österreichische Dukaten. So ein Dukaten wird fast durch die ganze Türkei nicht Dukaten genannt, sondern mit dem deutschen Wort ‚Münz‘ bezeichnet. Da einer derselben, je nach der Gegend, 53 bis 58 Piaster gilt, so betrug die Summe also zwischen tausend und elfhundert Piaster ungefähr.
Außerdem gab es noch fünfzig Beschliks. Das sind Fünfpiasterstücke. Dabei lag ein Zettel, auf welchem bemerkt war, daß die Dukaten mir, die Beschliks aber Halef gehören sollten. Wie ich später hörte, hatte Omar Ben Sadek bereits in Edreneh von unserem Gastfreund ein Geldgeschenk erhalten.
Mancher mag ein solches Geldgeschenk nicht für zart halten. Auch mir kam ein schmollender Gedanke, der aber gar nicht lange die Oberhand behielt. Erstens hatte der Geber es gut gemeint. Er wußte, daß ich kein Millionär war. Zweitens hatte das Hauptgeschenk ja in anderen Gegenständen bestanden, welche uns freilich samt dem Lasttier und dem liebenswürdigen Khawassen verloren gegangen waren. Und drittens befand sich in dem Beutel auch noch ein für mich bestimmter Fingerring von wunderbar feiner Arbeit mit einem Hyazinth von ziemlicher Größe. Zwar kann ich keinen Ring am Finger dulden – des Mannes Schmuck soll anderer Art sein; aber dieser Ring gehört doch zu denjenigen Gegenständen, welche ich als freundliche Andenken aufbewahre.
Es versteht sich ganz von selbst, daß Halef seine fünfzig Beschliks sofort erhielt. Er steckte sie schmunzelnd ein und sagte:
„Sihdi, dieser Wohltäter ist ein Mann von großem Verstand. Ich an seiner Stelle aber wäre vielleicht noch verständiger gewesen. Ein Kaf ist besser als ein Nun und steht auch im Alphabet vor demselben.“
Nämlich ein jeder Buchstabe des arabischen Alphabets hat auch eine Zahlbedeutung. Das Kaf (K) bedeutet hundert und das Nun (N), welches aber in der feineren Aussprache vor einem B wie M gebraucht wird, nur fünfzig. Der kleine
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