150 - Aufbruch in die Silberwelt
kannte, sah sie ihn heute erst richtig, und sie kam zu der Einsicht, daß er nicht der Mann war, für den sie ihn gehalten hatte.
Sie wollte mit Mark Cronenberg nichts mehr zu tun haben, würde sich in den nächsten Tagen rar machen und die Beziehung schließlich beenden.
Warum sollte sie sich an einen Mann binden, der sie nicht verdiente? Gewiß, sie hatte auch ihre Fehler, aber verglichen mit jenen von Mark waren sie kaum der Rede wert.
»Warum setzt du dich nicht?« fragte sie kühl.
»Ich kann nicht, ich bin zu aufgeregt«, antwortete Cronenberg.
»Das begreifst du nicht, wie? Es ist schließlich nicht dein Wagen, der kaputt ist. Ich wage nicht, daran zu denken, was die Reparatur kostet. Womöglich kann ich sie auch noch selbst bezahlen.«
»Wenn du ständig hin und her läufst, bringt das gar nichts. Warum fahren wir nicht nach Hause?«
Cronenberg sah seine Freundin entgeistert an. »Du bist wohl bescheuert.«
»Man hat sich deine Adresse aufgeschrieben. Sobald der Mann redet, wird man dich verständigen. Es nützt gar nichts, wenn wir hier warten.«
»So hältst du also zu mir!« fauchte Cronenberg. »Nicht einmal das bißchen Geduld bringst du für mich auf. Es ist angenehmer, sich schick ausführen zu lassen, als in so eine Sache hineinzugeraten, nicht wahr? Ein kleiner Ausflug in einem neuen Wagen, Kuchen und Tee in einer noblen Konditorei – das ja. Da kann man das eigene Geld sparen. Hinterher läßt man sich ein bißchen abknutschen, und die Rechnung ist beglichen.«
Jennifer sprang auf. »Du gemeines Aas!«
»Hab ich nicht etwa recht?«
Sie gab ihm eine schallende Ohrfeige, öffnete ihre Handtasche und warf ihm das ganze Geld, das sie bei sich hatte, vor die Füße.
»Da, du Geizkragen! Ersticken sollst du daran!« Mit Tränen in den Augen stürmte sie an ihm vorbei.
»Jennifer!« rief er ihr nach. »Jennifer, wo willst du denn hin?«
»Irgendwohin, nur fort von dir! Mir wird speiübel, wenn ich dich noch länger ansehen muß!«
»Jennifer, warte! So warte doch!« Er lief ihr nach – allerdings nicht, ohne vorher das Geld aufzuheben. Er holte sie vor dem Ausgang ein, griff nach ihrem Arm und riß sie herum. »Entschuldige, Jennifer, ich hab’ das nicht so gemeint. Du mußt das verstehen. All der Streß. Ich bin mit den Nerven ziemlich runter.«
»Ich will überhaupt nichts mehr verstehen!« zischte das Mädchen zornig. »Ich bin mit dir fertig, Mark Cronenberg, möchte dich nie wieder sehen. Ruf mich nicht mehr an. Verschwinde aus meinem Leben.«
»Jennifer…«
»Würdest du mich bitte loslassen?« sagte sie steif.
Seine Hand öffnete sich automatisch.
»Leb wohl. Du siehst mich nie wieder!« sagte Jennifer und verließ das Krankenhaus.
Er trat durch die Tür. »Ich habe dir ein Buch geliehen!«
»Ich schicke es dir mit der Post«, erwiderte das Mädchen und verschwand um die Ecke.
***
Als Dr. Irwin das Blut des Patienten sah, dachte er, da müsse irgendein Malheur passiert sein. Die Flüssigkeit in der Phiole war schwarzgrün und schillerte zeitweise violett. Hierbei konnte es sich unmöglich um das Blut des Mannes handeln, der soeben eingeliefert worden war.
Der Kollege, der die Blutabnahme vorgenommen hatte, befand sich nicht bei Mortimer Kull, als er zurückkehrte. Kull lag apathisch auf dem Bett. Dr. Irwin schob ihm eine Kanüle in die Vene und zog Blut auf.
Überrascht stellte er fest, daß diese Probe dieselbe Farbe hatte.
Wie konnte der Patient mit so einem Blut leben? David Irwin kratzte sich verdattert am Kopf, er war ratlos.
Der Oberarzt mußte her, mußte sich dieses geheimnisvolle, unmögliche Blut ansehen und bei der Analyse dabeisein. Dr. Irwin verließ das Zimmer und eilte zum Wandtelefon.
Inzwischen betrat eine Krankenschwester den Raum, in dem Professor Kull lag. Sie war eine rothaarige Schönheit mit grünen Augen.
Sie trat an das fahrbare Bett und löste die Bremsen. Als sie sich über Kull beugte und ihn küßte, hatte es den Anschein, sie würde ihm neues Leben einhauchen und ihm zu neuen Kräften verhelfen.
Der apathische Ausdruck verschwand aus seinen Augen.
»Du gehörst nicht hierher«, flüsterte sie. »Ich bringe dich fort.«
Sie war keine Krankenschwester, sondern eine gefährliche Dämonin. Yora hieß sie – die Totenpriesterin wurde sie genannt, oder auch: das Mädchen mit dem Seelendolch.
Kull sah sie dankbar an. »Yora… Wie hast du mich gefunden?«
»Ich habe deinen Kampf gegen Morron beobachtet – und alles weitere.« Sie
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