150 - Larry Brents Totentanz
Attentat?! Sabotage?!
All das ging Janette O’Casey wie ein Karussell durch den Kopf,
während sie den Wintergarten verließ und verzweifelt nach einem Ausweg suchte.
Die Menschen bedrängten sich gegenseitig. Die Angst wuchs. Die
Panik kam.
Der Rauch wehte in sämtliche Räume. Aus allen Ritzen quoll der
Qualm in die Höhe.
Wie durch einen dichten Schleier nahm Janette O’Casey die massige
Gestalt wahr, die aus dem Nebenraum auf sie zutaumelte.
Der dicke Chefredakteur schnaufte wie ein Walroß. Seine Lungen
keuchten.
Von links kam eine weitere Gestalt.
Janette stutzte. Auch das war ein Dicker.
Die Fernsehjournalistin konnte sich nicht daran erinnern, auf dem
Empfang heute abend noch einen so Beleibten wie Morgan gesehen zu haben.
Ein neuer Gast? Kam er von unten? Ein Hausbewohner, der ihnen den
Weg zeigen wollte?!
In ihrem Kopf schnappte etwas hart und metallisch zu wie eine
Eisenfalle. Der Gedanke, den sie dachte, schmerzte wie der Eindruck, den sie
empfing.
Der eine Dicke - und der andere Dicke - das waren doch - ein und
dieselben?!
Sie preßte die schmerzenden, brennenden Augen zusammen.
Narrte sie ein Spuk? Verlor sie den Verstand? War die Angst in ihr
bereits so groß, daß sie nicht mehr zu einem klaren Gedanken fähig war?
Sie riß die Augen auf.
Morgan links - Morgan rechts! Sie glichen sich wie ein Ei dem
anderen.
Der eine erkannte jetzt sein Gegenüber und blieb erschrocken
stehen.
»Aber ... aber ...«, kam es tonlos über seine Lippen. Der andere
Morgan sagte nichts und ging einfach weiter auf den ersten Morgan zu.
Janette O’Caseys Herz geriet in Unordnung.
Der eine Morgan streckte jetzt seine Hand nach dem anderen aus.
Das alles geschah in einer unbeschreiblichen Atmosphäre, während rundum
Menschen flüchteten, rannten und ohnmächtig wurden, während andere zu den
Fenstern eilten, sie aufrissen, in die Nacht hinausschrien und auf Hilfe
warteten.
In diesem Augenblick ereignete sich 'etwas so Gewaltiges und
Unheimliches, daß Janette O’Casey glaubte, den Verstand zu verlieren.
Die beiden Morgans verschmolzen zu einem einzigen! Dieser einzige
blähte sich für den Bruchteil eines Augenblicks auf wie ein Ballon und begann
zu glühen.
Dann sah Janette O’Casey in ihrem Leben zum ersten Mal, wie ein -
Mensch explodierte!
●
Obwohl David Gallun einer der wenigen
Menschen war, die stets über alles genau und umgehend informiert waren, wußte
er im Augenblick nichts über den Stand der Dinge im Sky-Hotel.
21.43 Uhr. X-RAY-1 hielt noch immer den Hörer in der Hand.
Er versuchte noch mal zum Hotel durchzukommen, doch die Leitung
war besetzt.
Absichtlich blockiert?
Da wählte X-RAY-1 eine neue Nummer.
Es war die seines besten Agenten. Larry Brent befand sich seit ein
paar Stunden in New York. Gemeinsam mit seinem russischen Kollegen war er hier.
Keiner von beiden rechnete in diesen Minuten damit, belästigt zu
werden. X-RAY-1 wußte, welch harte Strapazen hinter den beiden Agenten lagen,
und er hatte sich ernsthaft vorgenommen, ihnen eine Verschnaufpause zu gönnen.
Aber er hatte die Rechnung - ohne Dr. Satanas gemacht!
In der 125. Straße, in einer gepflegt eingerichteten
Apartmentwohnung, zehntes Stockwerk eines insgesamt achtzehn Stockwerke hohen
Gebäudes, schlug das Telefon an.
●
Schon nach dem zweiten Klingelzeichen hob Larry Brent ab und
meldete sich.
Der Agent mit dem blonden Haar und den rauchgrauen Augen war der
Schwarm schöner Frauen und schwärmte selbst von ihnen. X-RAY-3 saß in einem
modernen, sehr bequemen Polstersessel und hatte die Beine von sich gestreckt.
Vor ihm auf dem Tisch stand ein Glas, in dem ein heißer Punsch dampfte.
Dieser Punsch war ein Geheimrezept seines russischen Freundes Iwan
Kunaritschew, der in diesen Minuten seine New Yorker Wohnung genoß.
Das Getränk enthielt wenig Wasser und viel heißen Wodka und einige
Zusätze, die Iwan beschafft hatte und die er ebenso geheimhielt wie die
Zusammensetzung und Herkunft des kohlschwarzen Tabaks. Aus ihm fabrizierte er
seine gefürchteten Selbstgedrehten, vor denen sich jeder graute.
Iwan Kunaritschew achtete erst gar nicht darauf, was Larry sagte,
lehnte sich gemächlich zurück und schlug die Beine übereinander, als er
plötzlich zusammenfuhr.
»Sir?« Nur dieses eine fragende Wörtchen war es, das ihn den Atem
anhalten ließ.
Er richtete seinen Blick auf den Freund, und die Verwandlung, die
dort auf den eben noch entspannten Zügen von X-RAY-3 vorging, sprach mehr
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