150 - Larry Brents Totentanz
geladenen Gäste amüsierten sich
prächtig. Männer und Frauen standen in Gruppen beisammen. Die Geschäftsleitung
ließ echten französischen Champagner auffahren, und auf silbernen Tabletts
wurden mit Lachs und Kaviar, Schinken und Pastete belegte Schnitten gereicht.
Daneben war ein kaltes Büfett aufgebaut, wo es vom Geflügelsalat bis zum
zerlegten Fasan alle kulinarischen Köstlichkeiten gab.
Janette O’Casey, berühmte rothaarige Fernsehreporterin, griff mit
spitzen Fingern nach einer langen silbernen Gabel und zupfte sich eine
appetitlich duftende Fleischschnitte auf ihren Dessertteller, der ein
verschnörkeltes, ansprechendes Motiv trug, das speziell für das Sky-Hotel von
einem finnischen Künstler entworfen worden war.
Neben Janette O’Casey tauchte Bill Morgan auf. Er war
Chefredakteur einer großen Programmzeitschrift, die wöchentlich in mehreren
Millionen Exemplaren auf dem amerikanischen Markt erschien.
Morgan war ein Schwergewicht. Seine zweieinhalb Zentner pflegte
er.
Alles an ihm war in die Breite geraten, und er hatte seine liebe
Mühe, seine Fleischmassen noch zu bewegen. Er atmete schwer. In der Rechten
trug er einen Teller, auf dem er fette Salate, Schinken und zwei geräucherte
Fleischseiten angehäuft hatte.
Janette O’Casey verdrehte die Augen. »Lieber Bill«, meinte sie mit
ihrer klaren, sympathischen Stimme. »Wenn ich so sehe, was Sie da alles für
hübsche Sachen auf Ihrem Teller haben, dann steigt mein Cholesterinspiegel,
ohne daß ich einen Bissen zu mir nehme .«
Bill Morgan grinste. Seine dicken Wangenpolster schoben sich nach
oben, so daß seine Augen praktisch nicht mehr zu erkennen waren.
»Cholesterinspiegel ist halb so schlimm, Janette. Den kriege ich mit guten
Pillen unter Kontrolle. Was denken Sie, wie erst mein Blutdruck steigt, wenn
ich Sie sehe !« Er schob sich ein mit Spargelköpfen und
Sahnemeerrettich gefülltes Schinkenröllchen zwischen die Zähne. »Seit dem
letzten Mal haben Sie sich verändert. Die Haarfarbe ist anders. Sie benutzen
ein neues Make-up, die Kleider sind auch nicht mehr dieselben ...«
Janette lachte. Morgan verzog keine Miene. Er hatte eine ganz
eigene Art von Humor an sich.
»Jetzt fehlt bloß noch, daß Sie sagen, der Pickel am Kinn sei auch
endlich verschwunden ...«
»Moment«, dachte Morgan sofort scharf nach. »Das kenn ich doch.
Irgendwie kommt mir der Witz bekannt vor...«
Er kam nicht drauf, setzte seine Ausführungen aber fort. »Wie
lange ist es eigentlich her, seitdem wir uns das letzte Mal gesehen haben ?«
Janette O’Casey warf den hübschen Kopf zurück und schloß die
Augen, als müsse sie sich besonders intensiv aufs Nachdenken konzentrieren.
»Ein halbes Jahr?«
Morgan nickte. »Schon möglich. Mein Gott, wie doch die Zeit vergeht .« Das zweite Schinkenröllchen verschwand zwischen seinen
Zähnen. Genußvoll leckte er sich die Lippen. Kleine Sprechpause. »Phantastisch,
diese kalten Platten! Finden Sie nicht auch ?«
»Doch. Leider.«
»Warum leider?«
»Ich muß ein bißchen bremsen .«
»Wegen der Figur?«
»Sie haben’s erraten, Bill .«
»Unsinn. Haben Sie doch nicht nötig, Janette. Werfen Sie mal einen
Blick in den Spiegel! Bei dieser Taille brauchen Sie sich keine Sorgen zu
machen. Sie sind knackig wie eh und je .«
»Danke für das Kompliment, Bill !«
»Und wenn Sie wirklich mal ein paar Gramm zunehmen, kann ich Ihnen
’ne ausgezeichnete Diät empfehlen .«
Die rothaarige Amerikanerin, deren Vorfahren aus Irland stammten,
zog interessiert die hübschen Augenbrauen in die Höhe. »Bei Ihnen scheint sie
aber nicht anzuschlagen, Bill .«
Er winkte ab und schüttelte den Kopf. »Sagen Sie das nicht! Sie
hätten mich vor drei Monaten sehen sollen. Da hatte ich noch zwanzig Kilo mehr
auf den Rippen .«
Man wußte nicht, ob er das im Ernst oder im Spaß meinte. »Bei mir
kommt das auch nicht vom Essen. Das Arbeiten ist es, verstehen Sie? Ich sitze
zuviel. Da kriegt man eben einen Bauch .« Er knabberte
an einem der geräucherten Fische herum. »Ausgezeichnet! Nach der irren Diät
eine Wohltat. Für die schönen Dinge im Leben hat man leider - oder Gott sei
Dank - meistens die wenigste Zeit«, kam er ins Sinnieren. »Daß ich heute abend
mal ganz privat hier sein kann, verdanke ich einem Zufall. Normalerweise müßte
ich jetzt noch in der Redaktion über den letzten Berichten hocken. Termindruck!
Das macht einen fertig, nicht das gute Essen .«
Janette O’Casey wollte auf diese Worte etwas
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