1502 - Am Abgrund zur Hölle
passierte es.
Das Licht bewegte sich.
Es zuckte hin und her, doch dabei blieb es nicht, denn beide hörten das leise Kichern einer Frauenstimme…
Für sie brach zwar keine Welt zusammen, aber die Furcht hielt sie noch stärker umklammert. Sie schafften es nicht, sich zu bewegen, und wäre es möglich gewesen, dann hätten sich auch ihre Haare aufgestellt.
Sie starrten beide auf das Fenster. Sie lauerten darauf, dass sich das Lachen wiederholte, was jedoch nicht eintrat. Nur das verdammte Licht blieb bestehen.
»Du hast es doch auch gehört - oder?«, fragte Kate mit einer leisen Zitterstimme.
»Ja, das habe ich.«
»Und?«
»Nichts, Kate, ich weiß nichts. Aber ich sage dir eines: Ich stehe jetzt auf und schaue nach.«
»Was willst du?«, hauchte sie.
»Nachschauen.«
»Und dann?«
»Habe ich endlich Gewissheit.« Er zögerte nicht länger und schwang die Beine zur Seite, um aus dem Bett zu steigen.
»Bitte, Earl, bleib lieber hier und…«
»Nein, ich will wissen, was da los ist. Das muss ich, versteh doch! Ich kann nicht anders.«
Kate gab es auf. Ihr Mann konnte manchmal ein Sturkopf sein, und das bewies er erneut.
Zitternd und den Atem anhaltend sah Kate, wie Earl das Bett verließ. Für einen Moment blieb er daneben stehen, um sich zu orientieren, dann gab er sich einen Ruck und ging auf direktem Weg dem wieder geschlossenen Fenster entgegen.
Kate beobachtete ihren Mann voller Spannung. Sie biss sich auf die Unterlippe. Ihr Herz schlug schneller. Nur mühsam beherrschte sie sich.
Earl blieb stehen.
Noch zögerte er. Für einen Moment dachte er daran, dass er sich vielleicht zu viel vorgenommen hatte, aber ein Zurück gab es für ihn nicht. Er fasste den Griff an und stellte dabei fest, dass dieses Licht auch ihn erreichte.
Dann riss er das Fenster auf.
Der Himmel und die kalte Nachtluft interessierten ihn nicht. Der Blick nach draußen war für ihn viel wichtiger, und er sah die Lichtquelle oder das, was in ihrem Mittelpunkt stand.
Es war eine junge Frau mit langen, lockigen dunklen Haaren, die den Kopf leicht in den Nacken gelegt hatte und unbeirrt zu ihm hoch schaute…
***
Mit dieser Entdeckung hatte Earl nicht gerechnet. Die hätte er sich nicht mal in seinen kühnsten Träumen vorstellen können. Er stellte auch fest, dass die Frau nicht bewaffnet war und eigentlich keine Gefahr für ihn darstellte. Er fühlte sich jedenfalls nicht von ihr bedroht. Sie blieb stehen und erinnerte an eine Besucherin, die sich nicht traute, das Haus zu betreten.
Sie sagte auch nichts. Sie war nur von der hellen Aura umgeben und wirkte dadurch wie eine Heilige.
Kate Digger saß noch immer im Bett. Sie schaute auf den Rücken ihres Mannes und wunderte sich, dass er nichts tat. Er drehte sich nicht um für einen Erklärung, aber er musste etwas entdeckt haben, das ihn starr gemacht hatte.
»Hallo…«
Earl reagierte nicht.
Ein zweites Mal wollte ihn seine Frau nicht ansprechen. Sie musste selbst nachschauen und zitterte, als sie aus dem Bett kletterte. Ihre Knie waren weich, auf ihren Handflächen lag ein feuchter Film, denn ihr war klar, dass das, was hier passierte, einfach nicht in das normale Leben passte.
Sie ging so leise wie möglich, blieb hinter ihrem Mann stehen und geriet ebenfalls in den Schein des ungewöhnlichen Lichts. Sogar ihre Hände sahen blass aus, als sie die Schultern ihres Mannes berührten.
Das Fenster war recht klein. Die breite Gestalt ihres Mannes nahm Kate die Sicht. Sie musste ihn erst zur Seite schieben, um einen freien Blick zu bekommen.
Da sah auch sie das Licht und die Frau!
Sie stand im Zentrum, und auch Kate kam der Vergleich mit einer Heiligen in den Sinn.
Das dichte Haar, das helle Gesicht, dazu die dunklen Augen, dann die vollen Lippen, die geschlossen waren. Bekleidet war sie mit einem Mantel, der dicht über ihren Knien endete. Die Arme hingen zu beiden Seiten des Körpers herab, aber sie traf keinerlei Anstalten, etwas zu unternehmen. Die Fremde schaute nur hoch zu ihnen, als wartete sie darauf, angesprochen zu werden. Selbst schien sie nicht den Anfang machen zu wollen.
Die Nähe seiner Frau sorgte bei Earl Digger dafür, dass er sich wieder gefangen hatte. Er fühlte sich sicherer und fragte mit kaum verständlicher Stimme: »Hast du eine Ahnung, wer sie ist?«
»Nein…«
»Ich auch nicht.«
»Sieht sie denn tot aus?«, flüsterte Kate und dachte dabei an die Gestalt, die ihr Mann aus dem Hügel geschaufelt hatte.
»Ich glaube nicht. Die kannst du
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